Mister Aufziehvogel
Dame bestand nicht weiter darauf. Ein paar Wochen später machte sie Muskat mit einer weiteren Frau bekannt. Diese Frau war Mitte Vierzig, sie war klein und hatte stechende, tiefliegende Augen. Sie war außerordentlich gut gekleidet, trug aber außer einem silbernen Ehering keinerlei Accessoires. An der Atmosphäre, die sie um sich verbreitete, war sofort zu erkennen, daß sie jemand Besonderes war. Die Frau des Kaufhausbesitzers hatte Muskat erklärt: »Sie möchte, daß Sie für sie das gleiche tun, was Sie für mich getan haben. Lehnen Sie es bitte nicht ab, und wenn sie Ihnen Geld gibt, sagen Sie nichts, nehmen Sie es einfach. Auf längere Sicht wird das für Sie wichtig werden - und für mich.«
Muskat zog sich mit der Frau in ein abgelegenes Zimmer zurück und legte ihr die Hand auf die Schläfe. In dieser Frau steckte ein »Etwas« anderer Art; es war stärker als dasjenige in der Frau des Kaufhausbesitzers, und seine Bewegungen waren heftiger. Muskat schloß die Augen, hielt den Atem an und versuchte, die Bewegung zu bändigen. Sie erhöhte ihre Konzentration und vertiefte sich intensiver in ihre Erinnerungen. Sie grub in den kleinsten Nischen, die sie dort vorfand, und leitete die Wärme ihrer Erinnerungen in das »Etwas«.
»Und ehe ich mich versah«, sagte Muskat, »war dies zu meinem neuen Beruf geworden.« Sie erkannte, daß ein mächtiger Fluß sie erfaßt hatte. Und als Zimt alt genug war, wurde er der Assistent seiner Mutter.
21
D AS GEHEIMNIS DES SELBSTMÖRDERHAUSES:
2 Setagya, Tokio:
Die Leute vom Selbstmörderhaus
Der Schatten der Macht:
Etwas Zwielicht ins Dunkel
Eine unglaublich geschickte Tarnung -
Welches Geheimnis verbirgt sich dahinter?
[Aus The - Weekly, 21. November]
Wie schon in unserer Ausgabe vom 7. Oktober berichtet, existiert in einem ruhigen Wohnviertel von Setagaya ein Haus, das in der Umgebung als das »Selbstmörder-Haus« bekannt ist. Alle, die je darin gewohnt haben, sind von schweren Schicksalsschlägen heimge-sucht worden und haben sich zuletzt das Leben genommen - in der Mehrzahl der Fälle durch Erhängen. [Zusammen-fassung des ersten Artikels ausgelassen]
Unsere Nachforschungen haben eine einzige unumstößliche Tatsache zutage gefördert: daß sich am Ende jeder Spur, der wir bei unserem Versuch, die Identität des neuen Eigentümers des »Selbstmörder-Hauses« zu ermitteln, nachgegangen sind, eine Mauer des Schweigens erhebt. Es ist uns zwar gelungen, die Firma, die das Haus gebaut hat, ausfindig zu machen, aber jeder Versuch, von dieser Seite Informationen zu erhalten, blieb erfolglos. Die Scheingesellschaft, über die der Kauf abgewickelt wurde, ist im juristischen Sinne hundertprozentig sauber und unangreifbar. Die Transaktion wurde offenbar mit so akribischer Sorgfalt geplant und über die Bühne gebracht, daß man einen guten Grund dahinter vermuten darf.
Ein weiteres interessantes Detail ist die Kanzlei, die an der Gründung der fraglichen Scheingesellschaft mitgewirkt hat. Wie unsere Nachforschungen ergaben, wurde besagte Kanzlei vor fünf Jahren als eine Art »Subunternehmen« einer in politischen Kreisen wohl-bekannten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirma gegründet. Die renommierte Sozietät hat mehrere solche - zur Wahrnehmung bestimmter Aufga-benbereiche konzipierte - »Subunter-nehmen«, die im Gefahrenfall wie ein Eidechsenschwanz abgestoßen werden können. Gegen die Steuerberatungsfirma selbst ist bislang noch nie ermittelt worden, aber laut einem politischen Reporter einer namhaften Tageszeitung ist »ihr Name schon im Zusammenhang mit etlichen politischen Skandalen aufgetaucht, weswegen die Behörden sie natürlich im Auge behalten«. Somit liegt auf der Hand, daß der neue Bewohner des »Selbstmörder-Hauses« in näherer Beziehung zu einem einflußreichen Politiker stehen dürfte. Die hohen Mauern, die strengen Sicherheits-vorkehrungen und modernsten elek-tronischen Überwachungseinrichtungen, der geleaste schwarze Mercedes, die geschickt aufgezogene Scheingesell-schaft: all das läßt vermuten, daß eine hochgestellte politische Persönlichkeit in die Angelegenheit verwickelt sein muß.
Strengste Geheimhaltung
Unser Nachrichtenteam hat eine Zählung der Ein- und Ausfahrten des schwarzen Mercedes in das, beziehungs-weise aus dem »Selbstmörder-Haus« vorgenommen. Während der zehntägigen Beobachtungsperiode fuhr der Wagen insgesamt einundzwanzigmal auf das ummauerte Grundstück, im Durchschnitt also täglich
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