Mister Aufziehvogel
irgend etwas zu hoffen. Der Korporal bot jedem von ihnen eine Zigarette an, aber sie lehnten ab. Er steckte die Zigaretten wieder in die Brusttasche seines Hemdes. Der Leutnant forderte den Tierarzt auf mitzukommen und entfernte sich ein Stück von den Soldaten. »Sie sollten sich das jetzt genau ansehen«, sagte er. »Das ist auch eine Art zu sterben.«
Der Tierarzt nickte. Der Leutnant sagt das nicht zu mir, dachte er. Er sagt das zu sich selbst.
Mit sanfter Stimme erklärte der Leutnant: »Sie zu erschießen wäre die einfachste und effizienteste Methode, sie zu töten, aber wir haben Befehl, keine einzige Patrone zu vergeuden - und ganz gewiß nicht auf Chinesen. Wir sollen unsere Munition für die Russen aufsparen. Also werden wir sie eben mit dem Bajonett erstechen, aber das ist nicht so einfach, wie es klingt. Apropos, Herr Doktor, hat man Ihnen beim Militär beigebracht, mit einem Bajonett umzugehen?« Der Arzt erklärte, als Kavallerieveterinär sei er nicht im Bajonettkampf ausgebildet worden.
»Nun, die richtige Methode, einen Mann mit dem Bajonett zu töten, geht folgendermaßen: Zuerst sticht man unter dem Rippenbogen zu - hier.« Der Leutnant deutete auf seinen eigenen Rumpf, auf einen Punkt knapp über dem Magen. »Dann beschreibt man mit der Spitze einen weiten, tiefen Kreis in seiner Bauchhöhle, um die inneren Organe zu zerschnitzeln. Dann stößt man nach oben und sticht ins Herz. Man kann dem Mann das Ding nicht einfach so reinstecken und erwarten, daß er stirbt. Wir bekommen das während der Grundausbildung eingebleut. Der Bajonettkampf Mann gegen Mann ist neben Nachtangriffen der Stolz der Kaiserlichen Armee - vor allem, weil er erheblich billiger ist als Panzer und Flugzeuge und Kanonen. Man kann das noch so lange üben, aber was man dabei absticht, ist schließlich eine Strohpuppe und kein Mensch. Sie blutet nicht, sie schreit nicht, ihr fallen keine Eingeweide heraus. Die Soldaten da haben noch nie auf diese Weise einen Menschen getötet. Ebensowenig wie ich.« Der Leutnant sah den Korporal an und nickte ihm zu. Der Korporal bellte sein Kommando, und die drei Soldaten nahmen ruckartig Haltung an. Dann traten sie einen halben Schritt zurück und stießen, jeder auf den ihm zugeteilten Gefangenen zielend, ihre Bajonette vor. Einer der jungen Männer (Nummer 7) knurrte etwas auf chinesisch, was wie ein Fluch klang, und spie herausfordernd aus, aber der Speichel erreichte den Boden nicht mehr, sondern schlierte nur an der Brust seines Baseballtrikots herunter.
Als das nächste Kommando ertönte, rammten die drei Soldaten ihre Bajonette mit voller Wucht in die Chinesen. Dann rührten sie, wie der Leutnant es beschrieben hatte, mit den Klingen in den Eingeweiden der Männer herum und stießen abschließend mit der Spitze aufwärts. Die Chinesen schrien nicht sehr laut - es waren eher tiefe Schluchzer als eigentliche Schreie, als entließen die Männer allen Atem, der in ihren Körpern verblieben war, gleichzeitig aus einer einzigen Öffnung. Die Soldaten zogen ihre Bajonette heraus und traten einen Schritt zurück. Der Korporal bellte noch einmal seinen Befehl, und die Soldaten wiederholten die ganze Prozedur - zustechen, herumrühren, aufwärtsstoßen, herausziehen. Der Tierarzt verfolgte das Schauspiel in stummer Verblüffung, übermannt von dem Gefühl, er zerreiße in zwei Stücke. Er war gleichzeitig der Stecher und der Erstochene. Er spürte sowohl den Stoß, mit dem das Bajonett in den Körper seines Opfers eindrang, als auch den Schmerz seiner eigenen zerfetzten Organe. Die Chinesen brauchten zum Sterben weit länger, als er erwartet hätte. Ihre aufgeschlitzten Körper ergossen unglaubliche Mengen Blut auf die Erde, aber selbst mit zerschnetzelten Eingeweiden zuckten sie noch eine ganze Weile vor sich hin. Der Korporal schnitt mit seinem Bajonett die Seile, mit denen die Männer an die Bäume gefesselt waren, durch und befahl dann den Soldaten, die nicht an der Hinrichtung teilgenommen hatten, mitzuhelfen, die zusammengesackten Körper zur Grube zu schleifen und hineinzuwerfen. Auch diese Leichen erzeugten einen dumpfen Aufschlag, aber der Arzt wurde den Eindruck nicht los, daß das Geräusch anders klang als dasjenige, das die ersten Leichen erzeugt hatten - wahrscheinlich, weil diese hier noch nicht ganz tot waren. Jetzt war nur noch der junge chinesische Gefangene mit der Nummer 4 auf dem Trikot übrig. Die drei leichenblassen Soldaten rupften von irgendwelchen Pflanzen, die zu
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