Mister Aufziehvogel
erstaunlich gut. Er schwang genau so aus der Hüfte, wie der Leutnant es ihm beigebracht hatte, das Markenschildchen des Schlägers traf exakt hinter dem Ohr des Mannes auf, und der Schläger schwang mustergültig durch. Der Schädel zerbarst mit einem dumpfen Krachen. Der Mann selbst gab keinen Laut von sich. Sein Körper hing einen Augenblick lang in einer merkwürdigen Pose in der Luft und kippte dann vornüber. Er blieb mit der Wange auf der Erde liegen, aus einem Ohr blutend. Er rührte sich nicht. Der Leutnant sah auf seine Uhr. Den Schläger noch immer umklammert, starrte der junge Soldat mit offenem Mund ins Leere.
Der Leutnant war ein sehr penibler Mensch. Er wartete eine volle Minute ab. Als er sicher war, daß der junge Chinese sich nicht mehr rührte, sagte er zum Tierarzt: »Könnten Sie mir einen Gefallen tun und nachsehen, ob er auch wirklich tot ist?« Der Tierarzt nickte, ging zu dem jungen Chinesen hinüber, kniete sich hin und nahm ihm die Binde ab. Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen, mit nach oben gerollten Pupillen, und aus seinem Ohr floß hellrotes Blut. Hinter seinen halboffenen Zähnen war die Zunge zu sehen, die verknäuelt in der Mundhöhle lag. Durch den Keulenhieb war der Nacken in einem unnatürlichen Winkel abgeknickt. Die Nasenlöcher des Mannes hatten dicke Blutpfropfe ausgestoßen, die jetzt schwarze Flecken auf der trockenen Erde bildeten. Eine besonders wachsame - und große - Fliege hatte sich bereits in ein Nasenloch gebuddelt, um darin Eier abzulegen. Nur um sicher zu gehen, nahm der Tierarzt das Handgelenk des Mannes und suchte nach dem Puls. Es war kein Puls da - mit Sicherheit nicht da, wo er hätte sein sollen. Der junge Soldat hatte diesen kräftigen Mann mit einem einzigen Schlägerhieb - ja mit seinem ersten Schlägerhieb überhaupt - aus dem Leben befördert. Der Tierarzt blickte zum Leutnant hinüber und bedeutete ihm durch ein Nicken, daß der Mann ganz zweifellos tot sei. Nachdem er seinen Auftrag erledigt hatte, wollte er sich gerade wieder langsam aufrichten, als es ihm so vorkam, als habe die Sonne, die auf seinen Rücken brannte, mit einemmal an Intensität gewonnen. In genau diesem Augenblick setzte sich der junge chinesische Schlagmann mit der Trikotnummer 4, wie gerade aus dem Schlaf erwacht, ruckartig auf. Zielstrebig und ohne das leiseste Zögern - so schien es jedenfalls den Zuschauenden - packte er den Tierarzt beim Handgelenk. Das Ganze dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Der Tierarzt konnte es nicht begreifen: Dieser Mann war tot, er war sich völlig sicher. Doch dank eines einzigen, letzten Tropfens Leben, der aus dem Nichts hervorgequollen war, umklammerte der Mann jetzt das Handgelenk des Arztes mit der Kraft einer stählernen Schraubzwinge. Die Augen bis zum äußersten aufgerissen, die Pupillen weiter starr nach oben gerichtet, fiel der Mann vornüber in die Grube und riß den Arzt mit sich in die Tiefe. Der Arzt stürzte auf ihn und hörte im Landen, wie unter seinem Gewicht eine Rippe des Mannes brach. Trotzdem ließ der chinesische Baseballspieler sein Handgelenk nicht los. Die Soldaten sahen alles mit an, waren aber zu verblüfft, um sich auch nur von der Stelle zu rühren. Der Leutnant fand als erster die Geistesgegenwart wieder und sprang in das Loch. Er zog die Pistole aus dem Halfter, setzte dem Chinesen die Mündung an den Kopf und drückte zweimal ab. Es ertönten zwei scharfe, ineinanderfließende Schüsse, und in der Schläfe des Mannes klaffte ein großes schwarzes Loch. Jetzt war alles Leben aus ihm geschwunden, aber noch immer weigerte er sich, das Handgelenk des Arztes loszulassen. Der Leutnant kniete sich hin und machte sich, die Pistole in einer Hand, an die mühselige Aufgabe, die Finger der Leiche einen nach dem anderen aufzustemmen. Der Tierarzt lag in der Grube, umgeben von acht stummen chinesischen Leichen in Baseballtrikots. Da unten im Loch klang das Kreischen der Zikaden ganz anders als über der Erde. Als der Tierarzt endlich aus der Klaue des Toten befreit worden war, zogen die Soldaten ihn und den Leutnant aus dem Grab. Der Tierarzt hockte sich ins Gras und atmete mehrmals tief ein und aus. Dann sah er auf sein Handgelenk. Die Finger des Mannes hatten fünf leuchtend rote Male hinterlassen. Mitten an diesem heißen Augustnachmittag spürte der Tierarzt, wie ihm eine eisige Kälte bis ins Innerste kroch. Diese Kälte werde ich nie wieder los, dachte er. Dieser Mann hat wirklich, ernstlich versucht, mich -
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