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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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besser auskommen und mit anderen weniger gut, aber daß sie sich gestritten hätten, hab ich noch nie gesehen.
    Wir haben Dezember, deswegen ist der Teich schon etwas zugefroren, aber das Eis ist nicht so dick. Es ist zwar kalt, aber es gibt noch genügend freies Wasser, so daß die Enten ein bißchen herumpaddeln können. Ich hab gehört, wenn’s kalt genug ist, daß das Eis trägt, kommen ein paar von den Mädchen zum Schlittschuhlaufen hier raus. Dann werden sich die Entenleute (ja, ich weiß, das ist ein komischer Ausdruck, aber ich hab ihn mir nun mal angewöhnt, und da rutscht er mir einfach so raus) eine andere Bleibe suchen müssen. Ich mach mir nichts aus Schlittschuhlaufen, deswegen hoff ich irgendwie, daß es kein Eis geben wird, aber ich glaube nicht, daß die ganze Hofferei zu irgendwas führt. Ich meine, in diesem Teil des Landes wird’s im Winter richtig kalt, also werden sich die Entenleute, solang sie hier wohnen, eben damit abfinden müssen. In letzter Zeit komm ich jedes Wochenende hier raus und sehe den Entenleuten zu, um die Zeit totzuschlagen. Auf die Art können zwei, drei Stunden vergehen, bevor ich’s auch nur merke. Wenn ich in die Kälte rausgehe, bin ich von Kopf bis Fuß eingepackt, wie ein Eisbärjäger: Strumpfhose, Mütze, Schal, Stiefel, pelzgefütterter Mantel. Und ich sitz stundenlang allein auf einem Stein, träum vor mich hin und seh den Entenleuten zu. Manchmal fütter ich sie mit trockenem Brot. Natürlich ist sonst niemand da, der hier die Zeit hätte, solche verrückten Sachen zu machen.
    Vielleicht wissen Sie es nicht, Mister Aufziehvogel, aber Enten sind sehr angenehme Gesellschafter. Ich werd nie müde, ihnen zuzusehen. Ich werd nie kapieren, warum alle anderen sich die Mühe machen, sonstwohin zufahren und gutes Geld auszugeben, um sich irgendeinen blöden Film anzusehen, statt sich einfach mit diesen Leuten zu amüsieren. Wie zum Beispiel, wenn sie durch die Luft geflattert kommen und auf dem Eis landen, aber ihre Füße rutschen aus und sie fallen längelang hin. Das ist wie Comedy im Fernsehen! Die bringen mich dazu, daß ich, ganz allein, wie ich bin, laut loslache. Natürlich hampeln sie nicht extra herum, um mich zum Lachen zu bringen. Sie geben sich alle Mühe, ein sehr ernstes Leben zuführen, und manchmal fallen sie dabei eben auf die Nase. Ich find das niedlich.
    Die Entenleute haben diese orangenen Plattfüße, was echt süß aussieht, als würden sie kleine Gummistiefelchen tragen, nur daß die anscheinend nicht dafür gedacht sind, auf Eis zu laufen, denn ich seh sie andauernd ausrutschen und durch die Gegend schlittern, und manche fallen sogar auf den Hintern. Sie haben offenbar keine Antirutschbeschichtung. Alles in allem ist der Winter für die Entenleute also wahrscheinlich keine sehr vergnügliche Zeit. Ich wüßte gern, was sie, tief in ihrem Herzen, vom Eis und dem ganzen Kram halten. Aber ich wette, allzu schlimm finden sie’s gar nicht. Das ist einfach so mein Eindruck, wenn ich ihnen zuschau. Die sehen eigentlich so aus, als wären sie soweit völlig zufrieden, auch wenn’s Winter ist, und würden nur mal ab und zu vor sich hingrummeln: » Schon wieder Eis? Ach, was soll’s … « Das ist auch was, was ich an den Entenleuten richtig mag.
    Der Teich liegt mitten im Wald, weitab von allem. Niemand (außer mir natürlich.) macht sich die Mühe, zu dieser Zeit des Jahres den ganzen Weg hier rauszulaufen, außer an besonders milden Tagen. Ich gehe den Waldweg entlang, und meine Stiefel knirschen auf der Eiskruste, die sich oben auf dem Schnee gebildet hat. Ich sehe überall haufenweise Vögel. Wenn ich den Kragen hochgeklappt hab und den Schal ein-, zwei-, dreimal unterm Kinn rumgewickelt, und mein Atem macht weiße Wölkchen in der Luft, und ich hab ein Stück Brot in der Tasche, und ich gehe so vor mich hin den Waldweg lang und denke an die Entenleute, dann wird mir innen richtig warm und wohlig, und dann fällt mir auf, daß es sehr, sehr lange her ist, daß ich so glücklich gewesen bin. OK, das reicht zum Thema Entenleute.
     
    Um die Wahrheit zu sagen, bin ich vor einer Stunde aus einem Traum aufgewacht, einem Traum von Ihnen, Mister Aufziehvogel, und seither sitze ich hier und schreibe Ihnen diesen Brief In diesem Augenblick ist es (ich guck auf die Uhr) 18 nach zwei. Ich war wie immer kurz vor zehn ins Bett gegangen, hatte den Entenleuten » Gute Nacht, allerseits « gesagt und war tief und fest eingeschlafen, aber dann, vor einer Weile:

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