Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
gab. Wenn ich im Wartezimmer eines Arztes eine Zeitschrift durchblätterte, stieß ich mit Sicherheit auf ein Foto von Noboru Wataya und darunter auf einen Artikel, den er geschrieben hatte. Ich hatte das Gefühl, hinter jeder Ecke der erforschten Welt lauere mir Noboru Wataya auf. Also schön, sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Ich haßte den Kerl.

7
    D IE FRÖHLICHE REINIGUNG
    UND KRETA KANO TRITT AUF
     
    Ich brachte eine Bluse und einen Rock von Kumiko in die Reinigung am Bahnhof. Normalerweise brachte ich unsere Sachen zur Reinigung bei uns um die Ecke, nicht weil ich sie vorgezogen hätte, sondern einfach weil sie näher lag. Für Kumiko lag die Bahnhofsreinigung am Weg, und so gab sie manchmal morgens, bevor sie in den Pendlerzug stieg, dort etwas ab und nahm es abends wieder mit. Die Reinigung am Bahnhof war zwar etwas teurer, aber nach Kumikos Ansicht besser als die bei uns um die Ecke. Ihre guten Kleider brachte sie deswegen immer dorthin. Und darum beschloß ich an jenem Tag, aufs Rad zu steigen und zum Bahnhof zu fahren. Ich dachte mir, es würde ihr lieber sein, wenn ich ihre Sachen dort reinigen ließe.
    Ich trug an dem Morgen eine leichte grüne Baumwollhose, meine üblichen Tennisschuhe und das gelbe Van-Halen-T-Shirt, das Kumiko von einer Plattenfirma als Werbegeschenk bekommen hatte. Wie bei meinem letzten Besuch, war der JVC-Radiorecorder laut aufgedreht. An diesem Morgen hörte sich der Ladenbesitzer eine Andy-Williams-Kassette an. Als ich hereinkam, endete gerade »Hawaiian Wedding Song«, und »Canadian Sunset« begann. Fröhlich mitpfeifend, schrieb der Besitzer mit so energischen Bewegungen wie beim letzten Mal etwas mit einem Kugelschreiber in ein Heft. Auf den Kassetten, die in einem Stapel auf dem Regal lagen, erkannte ich Namen wie Sergio Mendes, Bert Kaempfert und 101 Strings. Er war also ein Freund der leichten Kost. Mir kam plötzlich der Gedanke, daß echte Jazz-Freaks - Fans von Albert Ayler, Don Cherry, Cecil Taylor- nie eine Reinigung in einem Einkaufszentrum gegenüber von einem Bahnhof aufmachen könnten. Oder vielleicht doch. Es würde nur keine fröhliche Reinigung werden.
    Als ich die grüne, blumengemusterte Bluse und den olivfarbenen Rock auf den Ladentisch legte, breitete er die Sachen zu einer kurzen Musterung aus und schrieb dann auf den Beleg »Bluse und Rock«. Er hatte eine klare, reinliche Handschrift. Ich mag Reinigungsbesitzer, die deutlich schreiben. Und wenn sie Andy Williams mögen, um so besser.
    »Herr Okada, stimmt’s?« Richtig, sagte ich. Er trug meinen Namen ein, riß den Durchschlag ab und reichte ihn mir. »Die Sachen sind nächsten Dienstag fertig, also vergessen Sie nicht wieder, sie abzuholen. Von Frau Okada?«
    »M-hm.«
    »Sehr hübsch«, sagte er.
    Der Himmel war mit einer stumpfen Wolkenschicht bedeckt. Die Wettervorhersage hatte Regen angekündigt. Es war nach halb zehn, aber man sah noch immer viele Männer mit Aktentasche und aufgerolltem Regenschirm auf die Bahnhofstreppe zueilen. Verspätete Pendler. Der Morgen war warm und feucht, aber das kümmerte diese Männer nicht: Einer wie der andere waren sie ordentlich gekleidet, in Anzug, Schlips und schwarzen Schuhen. Ich sah eine Menge Männer meines Alters, aber keiner von ihnen hatte ein Van-Halen-T-Shirt an. Jeder trug die Anstecknadel seiner Firma am Revers und hatte die Nikkei News unter den Arm geklemmt. Die Signalglocke läutete, und etliche von ihnen galoppierten die Treppe hinauf. Ich hatte solche Männer lange nicht mehr gesehen.
    Als ich nach Hause radelte, ertappte ich mich dabei, daß ich »Canadian Sunset« pfiff.
     
    Um elf rief Malta Kano an. »Hallo. Bin ich möglicherweise mit dem Anschluß von Herrn Toru Okada verbunden?« fragte sie,
    »Ja, hier ist Toru Okada.« Ich hatte schon beim Hallo gewußt, daß es Malta Kano war.
    »Mein Name ist Malta Kano. Sie waren neulich so freundlich, sich mit mir zu treffen. Dürfte ich fragen, ob Sie für heute nachmittag bereits irgendwelche Pläne haben?«
    Keine, sagte ich. Ich hatte nicht mehr Pläne für den Nachmittag, als ein Zugvogel lombardfähige Vermögenswerte besitzt.
    »In diesem Falle würde meine jüngere Schwester, Kreta Kano, Sie um ein Uhr aufsuchen.«
    »Kreta Kano?« fragte ich mit ausdrucksloser Stimme.
    »Ja«, sagte Malta Kano. »Ich glaube, ich habe Ihnen neulich ihr Foto gezeigt.«
    »Ich erinnere mich natürlich an sie. Es ist nur -«
    »Ihr Name ist Kreta Kano. Sie wird Sie als meine Bevollmächtigte aufsuchen.

Weitere Kostenlose Bücher