Mister Aufziehvogel
Armee der Äußeren Mongolei, die dieses Gebiet sehr genau kannte, hatte in der Tat zur Zeit der Schneeschmelze einige wenige kleinere Kampfeinheiten auf diese Seite des Flusses geschickt. Man hatte sich dadurch vergewissert, daß es bei Bedarf möglich sein würde, ganze Regimenter überzusetzen. Und wenn sie den Fluß überqueren konnten, dann konnte das auch dieser Mann namens Yamamoto tun, und ebensowenig wäre es für uns übrige unmöglich hinüberzuwaten.
Wir standen jetzt an einer dieser geheimen Furten, die aller Wahrscheinlichkeit nach von der mongolischen Armee angelegt worden waren. Sorgfältig getarnt, wie sie war, hätte sie ein ahnungsloser Betrachter schwerlich bemerkt. Unter der Wasseroberfläche verlief eine durch Taue gegen die reißende Strömung gesicherte Plankenbrücke und verband die Untiefen an beiden Seiten miteinander. Der Wasserspiegel brauchte nur ein wenig zu sinken, und schon hätten Truppentransporter, Panzerspähwagen und Ähnliches mehr problemlos übersetzen können. Aufklärungsflugzeuge konnten die Brücke unmöglich entdecken. Wir hielten uns an den Sicherungsseilen fest und kämpften uns durch den reißenden Fluß. Zuerst ging Yamamoto vor, um sich zu vergewissern, daß keine mongolischen Patrouillen in der Nähe waren, dann folgten wir. Unsere Füße verloren im kalten Wasser jedes Gefühl, aber schließlich erreichten wir und unsere Pferde das jenseitige Ufer des Chalcha. Auf dieser Seite stieg die Uferböschung weit höher an, und als wir von dort oben aus zurücksahen, konnten wir meilenweit über die wüste Einöde hinwegblicken, durch die wir gekommen waren. Dies war einer der Gründe, warum die Sowjetarmee, als schließlich die Schlacht von Nomonhan ausbrach, von vornherein die günstigere Ausgangsposition hatte. Auch die Treffsicherheit des Artilleriefeuers wurde durch den Höhenunterschied erheblich verbessert. Jedenfalls erinnere ich mich an meine Verblüffung, als ich feststellte, wie verschieden die Aussicht von beiden Seiten des Flusses aus war. Ich erinnere mich auch, wie lang es dauerte, bis in die Gliedmaßen, die sich in eisigem Wasser bewegt hatten, das Gefühl zurückkehrte. Eine Zeitlang versagte sogar meine Stimme. Aber um ganz ehrlich zu sein, reichte die innere Anspannung, die aus dem Wissen herrührte, daß ich mich auf feindlichem Territorium befand, vollkommen aus, um mich die Kälte vergessen zu lassen.
Wir folgten dem Flußlauf in südlicher Richtung. Wie eine sich windende Schlange floß der Chalcha links von uns in der Tiefe dahin. Kurz nach der Durchquerung riet uns Yamamoto, alle Dienstgradabzeichen von unseren Uniformen zu entfernen, und wir folgten seiner Empfehlung. Sollten wir dem Feind in die Hände fallen, konnten solche Dinge nur Probleme verursachen. Aus demselben Grund hatte ich auch meine Offiziersstiefel ausgezogen und gegen Gamaschen ausgetauscht.
Wir schlugen am Abend gerade das Lager auf, als in der Ferne ein einzelner Reiter auftauchte und allmählich auf uns zukam. Er war ein Mongole. Die Mongolen benutzen einen ungewöhnlich hohen Sattel, wodurch es leicht ist, sie schon von weitem als solche zu erkennen. Feldwebel Hamano riß sein Gewehr hoch, als er die Gestalt näherkommen sah, aber Yamamoto verbot ihm zu schießen. Ohne ein Wort senkte Hamano langsam den Lauf seiner Waffe. Wir standen alle vier da und warteten darauf, daß der Mann näher kam. Er hatte ein sowjetisches Gewehr auf den Rücken geschnallt, und am Gürtel trug er eine Mauser. Ein Backenbart bedeckte sein Gesicht, und er trug einen Hut mit Ohrenklappen. Seine schmutzige Kleidung unterschied sich in nichts von der Tracht der Nomaden, aber an seiner Haltung erkannte man, daß er Berufssoldat war.
Der Mann saß ab und sprach Yamamoto in einer Sprache an, die ich für Mongolisch hielt. Ich beherrschte ein wenig Russisch und Chinesisch, und was er sprach, war keins von beidem, also mußte es Mongolisch sein. Yamamoto antwortete in derselben Sprache. Das machte mich sicherer denn je, daß er Nachrichtenoffizier war.
Yamamoto sagte zu mir: »Leutnant Mamiya, ich breche jetzt mit diesem Mann auf. Ich weiß nicht, wie lang ich fort sein werde, aber ich möchte, daß Sie hier auf mich warten - und selbstverständlich rund um die Uhr einen Posten aufstellen. Sollte ich in sechsunddreißig Stunden noch nicht zurück sein, erstatten Sie dem Hauptquartier Meldung darüber. Schicken Sie einen Mann über den Fluß zum Beobachtungsposten der Armee von Mandschukuo.« Er saß
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