Mister Aufziehvogel
auf und ritt mit dem Mongolen in Richtung Westen davon.
Wir drei richteten unser Lager fertig her und nahmen eine einfache Mahlzeit zu uns. Kochen oder überhaupt ein Lagerteuer anzünden konnten wir nicht. In dieser riesigen Steppe, in der, so weit das Auge reichte, nur flache Sandhügel unsere Anwesenheit verbargen, hätte schon das kleinste Rauchwölkchen zu unserer Gefangennahme geführt. Wir bauten unsere Zelte möglichst niedrig im Schutz der Dünen auf und sättigten uns mit kaltem Büchsenfleisch und trockenem Zwieback. Als die Sonne hinter den Horizont gesunken war, hüllte uns die Finsternis rasch ein, und der Himmel füllte sich mit einer unglaublichen Zahl von Sternen. Während wir ausgestreckt im Sand lagen und uns von den Strapazen des Tages erholten, drang, vermischt mit dem Donnern des Chalcha, Wolfsgeheul zu uns.
Feldwebel Hamano sagte zu mir: »Da haben wir uns ja in einen ziemlichen Schlamassel gesetzt«, und ich mußte ihm recht geben. Mittlerweile kannten wir drei - Feldwebel Hamano, Korporal Honda und ich - uns schon ziemlich gut. Normalerweise hätte ein kampferprobter Unteroffizier wie Feldwebel Hamano einen unerfahrenen jungen Offizier wie mich auf Abstand gehalten und hinter der Hand ausgelacht, aber in unserem Fall lag die Sache anders. Er hatte vor meiner Hochschulbildung Respekt, und ich meinerseits achtete darauf, seine Kampferfahrung und sein praktisches Urteilsvermögen gebührend anzuerkennen und niemals den Vorgesetzten herauszukehren. Was es uns außerdem erleichterte, miteinander ins Gespräch zu kommen, war die Tatsache, daß er aus Yamaguchi stammte und ich aus einem Teil der Hiroshima-Präfektur, der nicht weit von Yamaguchi entfernt liegt. Er erzählte mir vom Krieg in China. Er war ein einfacher Soldat und hatte nur die Volksschule besucht, aber er machte sich durchaus seine Gedanken über diesen verfahrenen Krieg, der so aussah, als würde er nie ein Ende finden, und er äußerte diese Gedanken vor mir ganz offen. »Ich hab nichts gegen das Kämpfen«, sagte er. »Ich bin Soldat. Und ich hab nichts dagegen, für mein Land in der Schlacht zu sterben, denn das ist mein Beruf. Aber dieser Krieg, den wir jetzt führen, Herr Leutnant - also, der ist einfach nicht richtig. Das ist kein echter Krieg, mit einer Gefechtslinie, wo man dem Feind gegenübertritt und bis zur Entscheidung kämpft. Wir rücken vor, und der Feind läuft weg, ohne zu kämpfen. Dann ziehen die chinesischen Soldaten ihre Uniformen aus und mischen sich unter die Zivilbevölkerung, und wir wissen nicht mal mehr, wer der Feind ist. Also bringen wir einen Haufen unschuldige Leute um und nennen es ›mit Verrätern‹ oder ›versprengten Feindbeständen aufräumen‹, und wir requirieren Lebensmittel. Wir müssen ihnen das Essen stehlen, weil die Front so schnell vorrückt, daß die Nachschubtruppe nicht mit uns mithalten kann. Und wir müssen unsere Gefangenen töten, weil wir sie nirgendwo unterbringen können und auch keine Verpflegung für sie hätten. Das ist nicht richtig. Herr Leutnant. In Nanking haben wir ein paar fürchterliche Dinge getan. Meine eigene Einheit. Wir haben Dutzende von Menschen in einen Brunnen geworfen und dann Handgranaten auf sie fallen lassen. Ein paar Dinge, die wir getan haben, könnte ich niemand erzählen. Das eine sag ich Ihnen, Herr Leutnant: In diesem Krieg gibt es keine gerechte Sache. Es gibt nur zwei Seiten, die sich gegenseitig totschießen. Und die Leidtragenden sind die armen Bauern - die, die mit Politik oder Weltanschauung gar nichts im Sinn haben. Für die gibt es keine Kuomintang, keinen Jungen Marschall Chang, keine Achte Feldarmee. Wenn sie zu essen haben, sind sie zufrieden. Ich weiß, wie diese Menschen denken: Ich bin selbst Sohn eines armen Fischers. Die kleinen Leute schuften von früh bis spät, und das höchste, was sie erreichen können, ist, gerade eben über die Runden zu kommen. Ich kann nicht glauben, daß es Japan irgend etwas Gutes einbringen kann, diese Leute ohne den mindesten Grund umzubringen.«
Im Gegensatz zu Feldwebel Hamano hatte Korporal Honda sehr wenig von sich zu erzählen. Er war überhaupt ein stiller Bursche. Meistens hörte er unseren Gesprächen zu, ohne Kommentare beizusteuern. Aber wenn ich sage, daß er »still« war, dann soll das keineswegs heißen, daß er etwas Düsteres oder Melancholisches an sich gehabt hätte. Es ist einfach so, daß er bei Gesprächen selten die Initiative ergriff. Sicher, ich fragte mich deswegen oft,
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