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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mission befand, die es erforderlich machte, daß er seine Zugehörigkeit zur Armee verheimlichte. Die ganze Angelegenheit war mir nicht geheuer.
    Drei von uns waren abkommandiert, Yamamoto zu begleiten - viel zuwenig für eine brauchbare Eskorte, aber eine größere Gruppe hätte die Aufmerksamkeit der mongolischen Soldaten erregt, die entlang der Grenze patrouillierten. Man hätte meinen können, dies sei das typische Beispiel für eine heikle Mission, die einigen wenigen handverlesenen Männern anvertraut wird, aber die Realität war weit davon entfernt. Ich war der einzige Offizier, und ich hatte keinerlei Kampferfahrung. Der einzige, auf den wir in dieser Hinsicht zählen konnten, war ein Feldwebel namens Hamano. Ich kannte ihn gut, da er dem Generalstab zugeteilt war. Er war ein harter Bursche, der sich vom gemeinen Soldaten zum Unteroffizier hinaufgedient hatte, und er hatte sich in China in mehreren Schlachten ausgezeichnet. Er war groß und unerschrocken, und ich war sicher, wenn es zum Schlimmsten kam, würden wir uns auf ihn verlassen können. Warum man auch Korporal Honda in dieses Kommando eingeschlossen hatte, war mir unbegreiflich. Wie ich, war er gerade aus der Heimat eingetroffen und hatte natürlich noch keine Kampferfahrung. Er war ein sanfter, stiller Mensch, der so aussah, als würde er bei einem Gefecht von keinerlei Nutzen sein. Hinzu kam, daß er zur Siebten Division gehörte, was bedeutete, daß der Generalstab sich die Mühe gemacht hatte, ihn eigens für diesen Auftrag anzufordern. Ein so wertvoller Soldat war er also, wenngleich mir erst viel später klar werden sollte, worin sein besonderer Wert lag.
    Ich war als kommandierender Offizier der Eskorte ausgewählt worden, weil meine Hauptaufgabe die topographische Aufnahme der Westgrenze Mandschukuos im Gebiet des Flusses Chalcha sein würde. Ich sollte kontrollieren, ob unsere Karten des Distrikts alle wesentlichen Details verzeichneten. Ich hatte das Gebiet sogar schon mehrere Male überflogen. Meine Anwesenheit sollte dazu beitragen, daß die Mission glatt über die Bühne ging. Mein zweiter Auftrag bestand darin, zusätzliche topographische Daten über den Distrikt zu sammeln und so die Genauigkeit unserer Karten zu verbessern. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen. Um ganz ehrlich zu sein, waren unsere damaligen Karten dieses Abschnitts der Grenzregion zur Äußeren Mongolei, der Hulunbuir-Steppe, ziemlich primitive Angelegenheiten - kaum besser als die alten Landkarten der Mandschurenzeit. Die Kwantung-Armee hatte im Anschluß an die Gründung des Staates Mandschukuo mehrere Vermessungen vorgenommen. Man wollte genauere Karten anfertigen, aber das zu bearbeitende Gebiet war riesig, und die westliche Mandschurei ist eine einzige endlose Wüste. Staatsgrenzen bedeuten in solch einer gewaltigen Einöde nicht viel. Die mongolischen Nomaden hatten dort jahrtausendelang gelebt, ohne je das Bedürfnis nach Grenzen zu verspüren - oder auch nur einen Begriff davon zu haben.
    Die schwierige politische Situation war ein weiterer Faktor, der die Anfertigung genauerer Karten bislang verhindert hatte. Wenn wir also eigenmächtig, ohne bilaterale Absprachen, eine offizielle Karte angefertigt hätten, die unsere Vorstellung vom Grenzverlauf zeigte, so hätten wir damit einen ernsten internationalen Zwischenfall auslösen können. Sowohl die Sowjetunion als auch die Äußere Mongolei, beides Anrainer Mandschukuos, reagierten äußerst empfindlich auf Grenzverletzungen, und es war in diesem Zusammenhang bereits zu mehreren blutigen Gefechten gekommen. Zu jener Zeit war die Armee an einem bewaffneten Konflikt mit der Sowjetunion nicht im mindesten interessiert. Der Krieg mit China nahm unsere ganzen Kräfte in Anspruch, und einen ernsten Zusammenstoß mit den Sowjets hätten wir uns nicht leisten können. Wir hatten dazu weder die Divisionen noch die Panzer, die Artillerie, die Flugzeuge. Unsere vorrangigste Aufgabe war die Sicherung der Stabilität Mandschukuos, das damals noch ein relativ junges politisches Gebilde darstellte. Soweit es die Armee betraf, konnte die Festlegung der Nord- und Nordwestgrenze ruhig warten. Die Heeresleitung versuchte, Zeit zu gewinnen, indem sie die Dinge im Unbestimmten beließ. Sogar die mächtige Kwantung-Armee schloß sich dieser Sichtweise an und nahm eine abwartende Haltung ein. Das Resultat war, daß alles in einem Meer der Verschwommenheit dahintrieb.
    Sollte allerdings entgegen all diesen klugen Plänen irgendein

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