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Mister Mädchen für alles

Mister Mädchen für alles

Titel: Mister Mädchen für alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Sanders
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langweilte und dass jemand wenig Interessantes gestorben war. Alex griff nach dem Stapel Post.
    «Du sprichst also wieder mit mir?»
    «Ja, natürlich», sagte Alex mit größtmöglicher Geduld. «Aber es fällt mir nicht leicht, mal eben zu vergessen, dass sich meine eigene Mutter in meiner Wohnung mit meiner besten Freundin und einem völlig Fremden verschanzt hat, von dem sich herausstellt, dass ich ihn ohne es zu wissen eingestellt habe. Das hier wiederum scheint man ganz leicht vergessen zu können.» Sie blätterte durch die Umschläge und ahnte schon, dass neben dem Werbemüll und den Katalogen von Galerien, die ihre nächsten Ausstellungen ankündigten, auch jede Menge Fensterumschläge dabei sein würden. «Wir müssen reden.»
    Die Ranke seufzte und ließ sich auf das Sofa fallen. «Möchtest du einen Tee?», fragte sie und deutete vage in Richtung Küche.
    «Nein, danke. Du hast wieder damit angefangen, nicht wahr?»
    Ihre Mutter blickte aus dem Fenster und ignorierte siegeflissentlich. Verärgert setzte sich Alex so neben sie, dass sie ihr Blickfeld blockierte. Sie hätte sie am liebsten wegen ihrer Dummheit und ihres unverantwortlichen Betragens angeschrien.
    «So kann es nicht weitergehen, Mum. Ich habe schlichtweg kein Geld mehr dafür.» Alex riss die Umschläge auf und holte die rotgedruckten letzten Mahnungen hervor, die Briefe, in denen es hieß: «Aquarell, Kleinformat, Original, signiert. Vierhundert Pfund.» Sie öffnete einen weiteren Umschlag. «Handbronze. Zweihundertfünfzig Pfund.» Zwischen den Umschlägen entdeckte sie außerdem zwei Quittungen für ein Paar Schuhe von Russell & Bromley und ein Kleid von Jaeger für zweihundertdreißig Pfund. Sogar ein Brief von einer Anwaltsfirma war dabei. Doch erst der letzte Umschlag brachte Alex’ Puls richtig zum Rasen: William Curtis, Buchmacher. Wetten per Telefon. Letzte Zahlungsaufforderung.
    Sie wandte sich ihrer Mutter zu, und ihr Magen schmerzte vor Kummer. Es war sogar noch schlimmer, als Frankie gesagt hatte. «Was, zum Teufel, ist das hier? Was erwartest du jetzt von mir? Soll ich dir
wieder
aus dem Schlamassel heraushelfen? Selbst wenn ich das könnte, Mum, warum sollte ich? Ich arbeite so hart ich kann, und ich bemühe mich, für deine Ausgaben aufzukommen, aber das hier   …» Sie fuchtelte mit den Anschreiben und Umschlägen vor der Nase ihrer Mutter herum. «Das hier ist pure Extravaganz. Du kannst diesen Lebensstil nicht mehr aufrechterhalten. Du hast es damals schon nicht gekonnt, aber jetzt ist definitiv Schluss damit, Mum.» Sie merkte, dass sie ihre Mutter an dem verletzten Arm schüttelte, und ließ rasch los. «Ich stehe jetzt schon finanziell mit dem Rücken an der Wand, Mum, und wenn ich nicht aufpasse, dann habe ichbald nichts mehr übrig. Wie kannst du nur so selbstsüchtig sein?» Die Ranke wandte Alex das Gesicht zu. Ihre Augen schwammen vor Tränen. Alex hielt abwehrend die Hand hoch. «Halt! Das wirst du nicht tun, du wirst mir nicht wieder mit der Tränendrüse kommen. Das hast du schon viel zu oft getan.» Sie begann, die Briefe zu lesen, fest entschlossen, das bekannte Ablaufritual des «Es tut mir so leid, ich werde es nie wieder tun» zu ignorieren.
    «Es ist alles vorbei, nicht wahr?», schluchzte die Ranke mit leiser Stimme.
    «Verdammt nochmal, das ist es allerdings. Und so kann es nicht weitergehen.»
    «Es ist vorbei, nicht wahr?» Alex sah auf, als sich ihre Mutter wiederholte. Die Ranke saß in aufrechter, fast stolzer Pose da, die Hände elegant im Schoß gefaltet, aber die Tränen liefen ihr ungehindert übers Gesicht. «Meine Zeit ist vorbei. Die glorreichen Zeiten. Die Partys. Die Bewunderung. Alles ist verschwunden, nicht wahr? Ich bin nichts mehr wert. Nur ein Ärgernis für dich.»
    Alex musterte sie eine Weile und wartete auf den Seitenblick, mit dem ihre Mutter sonst immer prüfte, ob ihre Worte die gewünschte Wirkung entfalteten. Aber nichts dergleichen geschah. Die Ranke hielt den Blick gesenkt, und ihre Tränen tropften auf ihre Hände. Diese Frage ist neu, dachte Alex. Sollte das etwa heißen, dass hier kein Theater gespielt wurde? Vorsichtig bedeckte Alex die Hände ihrer Mutter mit ihren eigenen. Sie konnte sich nicht erinnern, so etwas jemals zuvor getan zu haben. «Ja, Mum, diese Zeiten sind vorbei», sagte sie sanft. «Aber niemand kann sie ungeschehen machen. Nichts wird sich daran ändern, was du erreicht hast und wer du gewesen bist.» Die Ranke sah Alex mit beschwörendem Blick an,

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