Mister Mädchen für alles
ich ehrlich bin, ist das Theater meine große Leidenschaft, aber meistens übernehme ich solche Jobs fürs Geldverdienen, wissen Sie.»
«Hmmm. Die Bühne aus Leidenschaft, das Fernsehen aus Geldnot, was? So ist das doch üblicherweise.»
Ihre direkte Art erstaunte Frankie ein wenig. «Äh, ja.» Sie war beileibe nicht so arglos, wie sie wirkte.
Wieder blickte sie auf die Uhr. «Und weshalb glauben Sie, dass Sie der Richtige für diesen Job sind? Für einen Schauspieler ist dies doch eine relativ ungewöhnliche Beschäftigung.»
Diese Frage hatte er erwartet und auf dem Hinweg eine Antwort einstudiert. Er hustete. «Na ja, ich kann verstehen,dass Sie das so auffassen. Doch bei meiner Arbeit bin ich es gewohnt, mit Menschen umzugehen, und ich bin außerdem sehr flexibel. Doch am meisten dürften meine organisatorischen Fähigkeiten von Interesse sein. Ich war schon häufig auf Tournee, wissen Sie, und mit kleineren Produktionen unterwegs. Und dabei kümmere ich mich immer um die Logistik und helfe beim Produktionsmanagement. Ich bin es also gewohnt, mit Problemen umzugehen und so vorausschauend zu planen, dass sie gar nicht erst auftreten.»
Sie lächelte wissend und war ganz offensichtlich nicht von dem überzeugt, was er gesagt hatte. Sie machte sich ein paar Notizen, während sie sich mit der linken Hand eine Strähne ihrer hellen Locken hinters Ohr klemmte. Einen Augenblick lang war er von dem verdammt großen Klunker an ihrem Ringfinger verwirrt. Er fragte sich, welcher Beruf sie wohl so sehr in Beschlag nahm, dass sie «ein Mädchen für alles» brauchte. In der Wohnung gab es keinen Hinweis auf Kinder, also machte sie entweder mächtig Karriere oder gehörte zu der Sorte Frauen, deren Leben daraus bestand, Tennis zu spielen oder mit ihren besten Freundinnen Kaffee zu trinken. Sie sah auf. «Sie werden auch kochen müssen. Können Sie das?»
«O ja, ich koche leidenschaftlich gern. Meiner Meinung nach sollte Nigel Slater für seine Verdienste um das Hähnchen zum Ritter geschlagen werden. Ich habe all seine Rezepte. Ich kann aber auch eine herrliche Suppe aus Meeresfrüchten zaubern, wenn es sein muss.»
Saff lächelte und entspannte sich. «Oh, so etwas könnte ich jeden Tag essen. Geben Sie Venusmuscheln rein?»
«Wenn ich welche bekomme, sonst weiche ich auf Miesmuscheln aus.»
Wieder kritzelte Saff etwas auf ihr Notizblatt, und diesmal wirkte sie begeistert.
«Gut, gut.» Ein weiterer Blick auf die Uhr, dann folgte ein dramatischer Seufzer. «Wenn ich ehrlich bin, fällt mir nichts mehr ein, was ich Sie noch fragen könnte. Äh – wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?»
Er starrte sie verwirrt an. Herausfordernd erwiderte sie seinen Blick, bis sich ihre Lippen langsam von einem Lächeln zu einem ansteckenden Grinsen verzogen. Beide prusteten los. In diesem Augenblick wurde die Wohnungstür geöffnet, und ein kalter Luftzug wehte herein. Eine große, dunkelhaarige Frau in Jeans und Parka trat ein und warf beiden einen kurzen Blick zu. Dann blieb sie, den Blick auf Frankie geheftet, mit verdutzter Miene stehen.
«Oh, ich dachte, du würdest ein Bewerbungsgespräch führen.» Sie klang ein wenig verärgert, als sie sich an Saff wandte. «Was ist hier los?», fragte sie plötzlich, während sie den Querriemen ihrer prallgefüllten Kuriertasche löste und die Jacke abstreifte. Frankie fiel auf, dass sie sich, anders als die meisten Frauen, die er kannte, nicht die Mühe gemacht hatte, ihr Haar zu frisieren oder sich zu schminken. Er war zwar kein Experte in diesen Dingen, doch selbst er konnte erkennen, dass sie einen neuen Haarschnitt nötig hatte oder sich wenigstens einmal mit einem Kamm durchs Haar fahren sollte. Ihre Frisur passte zu ihrem gebräunten, ungeschminkten Gesicht. Sogar ihre Hände zeigten, dass sie eine praktisch veranlagte Frau war – kurze Fingernägel und kein Schmuck.
Das harmonische Verhältnis, das er zu Saff aufgebaut hatte, erstarb ebenso wie ihr gemeinsames Gelächter.
Das
war also die «vielbeschäftigte Frau». Das änderte alles, und er war sich nicht sicher, wie er mit dieser direkt wirkenden,sportlichen Frau umgehen sollte. Bei ihr würde sein Charme nichts nützen. Er erhob sich und streckte die Hand aus. «Hallo. Ich bin Frankie Ward. Ich
bin
das Bewerbungsgespräch.»
Sie sah überrascht aus, doch sie streckte ihm automatisch die Hand entgegen. Ihr Händedruck war zögerlicher, als er erwartet hatte, obwohl er spüren konnte, wie kräftig ihre langen, dünnen
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