Mister Mädchen für alles
reichlich erschöpft zu sein. Unter ihren Augen lagen dunkelviolette Ringe, und die Falte zwischen ihren Brauen wirkte, als würde sie nicht von selbst verschwinden. Langsam schüttelte Alex den Kopf. «Ich habe davon gewusst. Oder es wenigstens vermutet. Das ist nämlich nicht das erste Mal, verstehen Sie?» Alex zögerte und blickte auf ihre Hände. «Nun, ich glaube, es spricht nichts dagegen, es Ihnen zu erzählen. Das meiste wissen Sie ohnehin schon. Sie ist praktisch pleite. Trotz des vielen Geldes, das sie einmal verdient hat, und der Rücklagen und dergleichen mehr, ist sie blank. Und das schon seit Jahren, aber sie will es nicht wahrhaben – obwohl ich es ihr, Gott ist mein Zeuge, beim letzten Mal deutlich erklärt habe. Zum Glück liegen keine Hypotheken auf ihrem Haus, aber ansonsten …» Sie hielt inne. «Ich komme für alles andere auf.»
Frankie ließ sich heftig zurückfallen. Du liebe Güte, davon hatte er ja keine Ahnung gehabt! Die Ranke hatte stets so getan, als spielte Geld keine Rolle. Und Frankie – dem an dieser Stelle trotz der Wärme der kalte Schweiß ausbrach – hatte ihr geholfen und sie darin bestärkt, hatte sie bei den Buchmachern vorbeigefahren, ihre Päckchen und Bilder in Brighton herumgetragen und seine Kommentare abgegeben, als sie sich auf einer ihrer Shopping-Touren ein neues Partykleid bei Harvey Nichols gönnte, als sei dies ein Riesenspaß. Jetzt wurde ihm bei dem Gedanken übel. «Sie meinen, das hat sie schon einmal getan?», fragte er mit schwacher Stimme.
Alex ließ die Schultern sinken, und Frankie hörte, wie sie mühsam Luft holte. «Ja. Und wahrscheinlich hat sie nie wirklich damit aufgehört, obwohl sie mir beim letzten Mal hoch und heilig versprochen hat, dass sie es versucht.» Sie fuhr sich mit den schmucklosen Händen über das Gesicht. «Ich habe noch nicht einmal die Schulden abbezahlt, die sie das letzte Jahr über angehäuft hat. Wahrscheinlich ist das alles meine Schuld. Sie hat einfach keine Vorstellung von Geld – hat sie nie gehabt. Ich habe meinen Vater angebetet, aber nach seinem Tod habe ich festgestellt, dass er sie hat ausbluten lassen. Er hat in eine verrückte Idee nach der anderen investiert, aber sie haben ihren Lebensstil trotzdem nicht geändert. Überwintern in Südfrankreich und handgefertigte Schuhe. Er hat sich aufgeführt, als sei er der Erbe eines Vermögens oder so etwas in der Art. Der große Playboy.» Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. «Er hat nichts außer Schulden hinterlassen, und ich habe die nächsten zwei Jahre damit zugebracht, die wenigen Aktien, die er noch besaß, zu verscherbeln und auch einige fürchterliche Wohnungen in Gateshead – erwar tatsächlich überzeugt, dass dort als Nächstes die ‹Post abging›. Mum hat einfach weitergemacht wie bisher. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen müssen, um ihr alles zu erklären, und ihr die Zahlen zeigen sollen. Aber das hat sie nicht besonders interessiert, verstehen Sie?» Alex hatte Frankie mit beschwörenden Blicken angesehen, und er hatte sich kaum zu rühren gewagt, um das Bezwingende dieses Ausbruchs nicht zu zerstören. «Ich habe es zuerst nicht über mich bringen können, ihr die ganze Wahrheit zu sagen.» Wieder blickte sie auf ihre Hände hinab. «Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, spießig zu sein, weil ich zuerst ausgerechnet habe, ob ich mir etwas leisten konnte, bevor ich es kaufte. Und jetzt», sie lachte kurz auf, «jetzt kann ich es mir nicht leisten, weil ich für das zahle, was
sie
ausgibt.»
Frankie zögerte. Wenn er neben einer anderen Person als Alex gesessen hätte, hätte er ihr möglicherweise tröstend einen Arm um die Schultern gelegt, aber nach der Feindseligkeit, mit der sie ihm erst kürzlich begegnet war, erschien ihm eine solche Reaktion unpassend. Sie saß vornübergebeugt auf der Bank und war so sehr mit ihren Sorgen beschäftigt, während das restliche London draußen den Sonnenschein zu genießen schien, und sie wirkte so unglaublich verletzlich, dass Frankie ihr, ob es nun angemessen war oder nicht, aufmunternd – wie er hoffte – über den Rücken strich. Unter dem enganliegenden Baumwolltop fühlte sich ihre Haut warm und straff an, und Frankie zog seine Hand vielleicht ein wenig zu schnell zurück. Aber Alex schien es nicht zu merken.
«Alles hängt an dieser verdammten Produkteinführung», murmelte sie, woraufhin sich Frankie vorbeugte, um ihr zuzuhören. «Wenn ich das bloß schon hinter mir hätte. Ah! Ich weiß
Weitere Kostenlose Bücher