Mister Mirakel
Entsetzen beide Arme. »Nein, ihr Geister, nein, ich werde mich euch fügen. Ich, Linus, habe mich immer gefügt. Wartet…«
Er verschwand in seinem Laden, kehrte aber nicht mit Fisch zurück, sondern mit frischem Obst. Er übergab die Tüte einem der Kürbisträger und erntete ein Dankeschön aus allen Mündern und ein Versprechen, daß kein Geist das Haus besuchen würde.
Bevor Linus wieder in seinem Geschäft verschwinden konnte, war Bill bei ihm. Er tauchte aus dem Dunst auf wie ein Gespenst, und der Händler erschrak, als er angesprochen wurde.
»Auf ein Wort, Mister.«
»Ja, bitte!«
Bill lächelte und gab sich so locker wie möglich. »Sie werden mich nicht kennen, ich heiße Bill Conolly und komme aus London.«
»Oh - haben Sie sich verfahren?«
»Nein, nein, das nicht gerade, aber der Nebel ist auch nicht gerade mein Freund gewesen. Er hat mir einen Streich gespielt. Ich bin nicht allein gekommen. Mein Sohn und seine Freunde waren bei mir. Wir wollten mal Halloween an der Küste erleben, wenn die Feuer brennen - na ja, Sie wissen schon.«
»Und weiter?«
»Jetzt sind die jungen Leute weg!« Bill hob die Schultern. »Wie Geister im Nebel.«
»Ach.«
»Ja. Nun suche ich sie.«
»Aber nicht bei mir, Mr. Conolly.«
»Nein, nein, das habe ich damit auch nicht gemeint. Ich muß ja irgendwo anfangen, und so dachte ich mir, daß Sie vielleicht die drei gesehen haben. Sie müßten ihnen eigentlich aufgefallen sein, denn sie sind fremd hier.«
Der Fischhändler zog die Nase hoch. Lange brauchte er nicht zu überlegen. »Sie haben Glück, Mister. Ist ihr Sohn so zwischen sechzehn und neunzehn vielleicht?«
»Richtig.«
»Drei junge Leute in dem Alter haben mich besucht und hier in meinem Laden gegessen.«
»Sie waren zu dritt?«
»Wenn ich es Ihnen sage.«
»Es war kein Mädchen dabei?«
»Nein.«
Bill fing an, seinen Sohn zu beschreiben, und Linus nickte schon nach den ersten Worten sehr heftig. »Ja, ja, Mr. Conolly, Sie brauchen nicht erst weiter zu reden. Die sind hier bei mir gewesen. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
»Danke. Dann werde ich sie finden.«
»Kann aber schwer werden«, sagte der Fischhändler. »Bei dem Wetter braucht man nicht unbedingt Verstecke zu suchen, um sich zu verbergen. Der Nebel schluckt alles.«
»So schwarz sehe ich das nicht. Wie ich weiß, sollen bald die Feuer brennen.«
»Klar, das dauert nicht mehr lange. Ich wollte gerade hier abschließen. Dann mache ich mich auch auf den Weg. Für mich ist es Ehrensache, am Strand zu sein.«
»Was geschieht denn dann weiter?«
Linus mußte lachen. »Nicht viel. Oder doch. Wie man es sieht. Wir feiern. Essen, trinken - na ja, Sie können sich das vorstellen. So mancher wird dann wie ein Gespenst durch den Nebel nach Hause wanken, ziemlich unsicher auf den Beinen. Das kenne ich noch aus den letzten Jahren. Sie können ja auch hingehen.«
»Ob Sie es glauben oder nicht, das habe ich jetzt vor. Ich denke auch, daß ich dort meinen Sohn und seine Freunde finden werde. Danke sehr, Mister. Das heißt, ich habe noch eine Frage. Als die drei zu Ihnen kamen, wie sahen sie aus? Trugen sie Kürbisse bei sich, oder hatten sie welche über die Köpfe gestülpt?«
»Nein, sie sahen völlig normal aus. Da war nichts von dem, was Sie eben gesagt haben.«
»Gut, ich danke Ihnen.«
»Bis gleich dann!« rief Linus dem Reporter noch nach, bevor der Nebel ihn verschluckte.
Bill wußte jetzt mehr, aber leider noch immer zu wenig. Allerdings ging er davon aus, daß sich das weitere Geschehen nicht mehr hier im Ort abspielte, sondern am Strand, wo sicherlich sehr bald der dichte Nebel von den roten Feuerzungen erhellt wurde und ihn anmalte wie eine mit blutigem Dampf gefüllte Waschküche.
Eigentlich hatte er vorgehabt, noch das Gebiet links der Hauptstraße zu durchsuchen. Davon nahm er jetzt Abstand. Wichtiger war für ihn der Strand, denn dort würde er hoffentlich nicht nur die Gesuchten und Mister Mirakel finden, sondern auch seine Freunde John und Suko. Schließlich hatte John erkennen können, in welcher Umgebung sich diese Gestalt aufhielt. Sicherlich würde es ihr auch nichts ausmachen, sich zwischen den Feuern zu bewegen. Sie konnte sich auf ihre Stärke verlassen.
Um das Wasser zu erreichen, brauchte Bill die Straße nur weiterhin geradeaus zu gehen. Natürlich schaute er nach und suchte nach irgendwelchen bunten Kürbissen auf den Köpfen der Menschen. Aber sie blieben einfach verschwunden. Vom Nebel aufgesaugt, oder sie
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