Mister Mirakel
»Scheiterhaufen, sagst du? Soll hier wirklich jemand verbrannt werden?«
»Meinetwegen auch Feuer.«
»Das schon eher.«
Ich hatte mich breitschlagen lassen. Wir stiegen aus und gerieten damit in den Bereich der feuchten Tücher. Wenn ich einatmete, kam ich mir vor wie jemand, der winzige Tropfen in seine Atemwege schickte, die dann auf der Lunge klebten. Der verdammte Nebel kam mir stockig vor, und er war überall. Selbst in die kleinsten Lücken und Spalten kroch er lautlos hinein. Es gab kein Hindernis, das ihn stoppen konnte. Vom Wasser her erhielt er immer mehr Nachschub.
Ein weicher, unebener Sandboden machte das Gehen nicht gerade zum Vergnügen. Auch der Sand war naß und schwer geworden. Er blieb unter unseren Sohlen kleben, als wir durch die ›Dünenschlucht‹ und in den uns entgegenwallenden Nebel hineingingen.
Vor uns rauschte das Wasser. Die Wellen rollten an den Strand, aber sie waren nicht zu sehen. Auch nicht, als wir die mit Gras bewachsene Dünenlandschaft hinter uns gelassen hatten und vor uns die flache Strandfläche lag.
Die Stelle, an der das Wasser mit schaumigen Streifen ausrollte, war nicht zu sehen. Die Sicht war mehr als schlecht. Da konnten wir nur auf die Feuer hoffen.
Sie mußten erst einmal angezündet werden. Menschliche Stimmen oder schattenhafte Bewegungen in unserer Nähe sahen wir auch nicht.
Ich konnte nur hoffen, daß Bill Conolly mehr Glück hatte und seinen Sohn Johnny sowie dessen Freunde fand, bevor es zu einem Unglück kam. Wir waren hier völlig außen vor. Standen in dieser beklemmenden Stille, und daran änderte auch das Rauschen des Wassers nichts. Es mochte auf manche Menschen wie eine Lockung wirken, um sie hinein in die Fluten zu holen.
Wir warteten nicht zu lange. Es tat sich nichts. Es spielte auch keine Rolle, in welche Richtung wir gingen. Nach Westen oder nach Osten, alles war gleich. Wir entschieden uns für die östliche Richtung, weil sie uns näher an Tyneham heranbrachte.
Der feuchte Sand faßte nach den Schuhen, aber er rieselte nicht, weil er zusammenbackte. Dennoch hatten wir unsere Schwierigkeiten, normal zu gehen. Es war auch kalt geworden. Der kondensierte Atem vor den Lippen mischte sich mit dem Nebel, und wir sahen ebenfalls aus wie Gespenster.
Suko ging vor mir. Es waren nur zwei Schritte, und doch sah sein Körper aus, als wollte er sich auflösen. Auch Mister Mirakel kam dieses Wetter entgegen. Es schützte Freund und Feind. Aus dem Hintergrund würde er zuschlagen können.
Mein Kreuz zeigte keine Reaktion. Ich hatte es in die Tasche gesteckt und fühlte hin und wieder danach. Nicht der Hauch einer Wärme glitt über die kühle Handfläche hinweg.
Als Suko stehenblieb, verharrte auch ich. Doch erst, als ich neben ihm stand.
»Er ist da, John!«
»Was?«
»Ja, ich habe ihn gesehen.«
»Wo?«
Es war eine nicht eben intelligente Frage, aber Suko hob seinen Arm und wies nach vorn. Dabei deutete er nach rechts, hin zur Hügellandschaft der Dünen. »Dort habe ich eine Bewegung gesehen, und ich bin sicher, mich nicht getäuscht zu haben.«
»Akzeptiert, Suko. Wo ging er denn hin?«
»Das würde ich selbst gern wissen. Er war ja nicht zu hören. Der schien über den feuchten Sand zu gleiten.« Er räusperte sich. »Frage: Sollen wir weiter hier am Strand entlanggehen oder uns wieder in die Hügel zurückziehen?«
»Kommt darauf an, wie es weitergeht. Die Dünen geben uns Deckung, obwohl wir hier auch kaum zu sehen sind. Aber ich möchte ihn gern sehen, verstehst du?«
»Ja. Ins Wasser ist er wohl nicht gegangen. Wahrscheinlich ist er nicht einmal weit entfernt.«
»Ich wünschte mir fast, daß er uns angreift«, flüsterte ich meinem Freund zu. »Dann hätten wir es hinter uns.«
»Optimist.«
Wir warteten noch eine Weile ab, ohne daß wir einen Erfolg erzielt hätten. Mister Mirakel ließ sich nicht blicken. Er war wieder abgetaucht, und ich erkundigte mich bei Suko, ob er sich nicht doch geirrt hatte.
»Nein, John, das muß er gewesen sein. Mittlerweile kann ich den Nebel auch von anderen Dingen unterscheiden.«
Ich war noch nicht soweit. Aber Mister Mirakel wurde plötzlich zweitrangig, denn die Stille wurde vom Klang der Stimmen unterbrochen. Sogar die Richtung war festzustellen. Sie wehten vom Ort her auf uns zu. Natürlich war nicht zu hören, was sie sagten, aber wir unterschieden Frauen- und Männerstimmen und sahen auch die roten, ausgefransten und tanzenden Flecken über dem Boden schweben, wobei uns ein scharfer
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