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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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mischten – Cleveland lag, Gott sei Dank, in einem anderen Universum.
    »Ich hätte nicht herkommen dürfen«, sagte sie.
    »Doch, natürlich!«
    Sie nickte zum Haus hinüber.
    »Da drinnen will sich niemand mit mir unterhalten.«
    »Das ist doch egal.«
    »Dir vielleicht.«
    »Es sollte uns egal sein.«
    »Warum?«
    »Komm mit.«
    Er nahm sie bei der Hand und zog sie durch die Terrassentür ins Gästezimmer, das auf den Pool hinausging. Als er die Tür hinter sich zuschob, begegnete er Emmas Blick. Ihre Augen blitzten vor Wut. Aber sobald sie allein waren, hatte er die unangemessenen Umstände schon vergessen, genauso wie er seine Frau vergessen hatte und ihre letzten Worte. Er liebte Susan wild und leidenschaftlich, aber nun war es, als schwebe er unter der Zimmerdecke, als wäre er einer der Männer, die nebenan Karten spielten und wussten, was hier im Dunkeln vor sich ging, ohne es sehen zu können.
    Das Gefühl der Entfremdung blieb sogar noch bestehen, als er einzuschlafen versuchte. Er spürte Susan neben sich, ihren Körper, konnte aber gar nicht weit genug von ihr abrücken, so als bestünde die eigentliche Sünde darin, mit einer anderen Frau das Bett zu teilen, als könnte er, falls jemand hereinplatzte, seine Unschuld beweisen, indem er einen räumlichen Abstand zu ihr hielt. Vielleicht war er es einfach nicht gewohnt, auf so engem Raum mit jemandem zu schlafen, weil er und Marilyn es schon lange anders handhabten. Jedenfalls ließ ihn die Unbequemlichkeit an der Grenze zum Schlaf dahindümpeln. Als er schließlich auf die Uhr sah, war es Viertel nach vier. Susan kehrte ihm den Rücken zu, das Laken war von ihrem Oberkörper gerutscht und hatte sich über ihrem Po zu einem V zusammengefaltet. Der lange Zopf aus Rückenwirbeln stach im Zwielicht so deutlich hervor wie ein fossiler Abdruck. Er stützte sich auf die Ellenbogen, um ihr Gesicht zu betrachten. Weder war er, wie ihm einfiel, jemals neben ihr aufgewacht, noch kannte er die Namen ihrer Eltern, ihren zweiten Vornamen oder ihren Geburtstag – die wesentlichen Daten und Fakten. Plötzlich wurde er von einer solchen Panik ergriffen, dass er sich flach hinlegen, seine Augen bedecken und sich zu langsamen, tiefen Atemzügen zwingen musste, bis sein Herz sich beruhigt und er neues Vertrauen geschöpft hatte. Auch diese Nacht würde irgendwann zu Ende gehen. Über eine Stunde später färbte der Himmel hinter dem Fenster sich endlich hellblau, und eine Borte aus Licht, für die er Gott dankbar war, fing über den Hügeln zu glühen an. Er hätte dringend einen Kaffee gebraucht, hatte aber keine Lust, sich in der fremden Küche auf die Suche zu machen. Also weckte er Susan, sagte ihr, sie solle sich anziehen, suchte und fand die Schlüssel zu dem MG, den Michael ihm leihen wollte, und fuhr sie durch eine blaustichige Welt mit leeren Straßen zu ihrem Apartment zurück. Am frühen Morgen wirkte Los Angeles wie eine Wüste, mehr noch als zu jeder anderen Tageszeit.
    Anstatt irgendwo zu frühstücken, fuhr er direkt ins Krankenhaus, wo er zu seiner großen Erleichterung Chappie begegnete, der ihn mit Gesten und Worten förmlich überrollte, ihn zusätzlich zum Handschlag auch an der Schulter packte und zur Begrüßung so fest zudrückte, dass Sheppard lächelnd erschlaffte. Chappie war klein, aber sein Händedruck fühlte sich so kräftig an wie der eines Mannes von doppelter Körpergröße. Die Energie schien durch jede Faser seines Körpers zu strömen, die Härchen auf seinen Unterarmen und in seinen Ohrmuscheln statisch aufzuladen und seine Augenbrauen in zwei Blitze zu verwandeln. Egal, wie gut Sheppard in seinem Fach auch wurde, er schien trotz aller Bemühungen immer hinter Chapman zurückzubleiben; und als sie zusammen zum OP gingen und Chappie den anstehenden Eingriff erläuterte, war er der Erklärung gedanklich so weit voraus, dass die Worte in medias res aus seinem Mund sprudelten. Der nickende Sheppard fühlte sich immer noch ein wenig zittrig, es gelang ihm jedoch, sich während des Händewaschens zu sammeln, weil die gewohnten Handgriffe ihn zur Klarheit zurückfinden ließen und die präoperativen Abläufe sein Gehirn in einen Zustand höchster Wachsamkeit versetzten; sobald sie den Operationssaal betraten, fielen die Müdigkeit und die emotionalen Belastungen von ihm ab, um einem ruhigen Eifer Platz zu machen. Heute würde er einen Eingriff am offenen Herzen verfolgen, ein bewegender, erhebender Anblick; ein Schnitt über dem Sternum,

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