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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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selbst beim Schwimmen nicht aus dem Kopf. Räumlich war er von ihr getrennt, aber sie spukte in seinem Kopf herum. Ein großer Teil ihres Lebens war ein Zyklus aus immer wiederkehrenden Trennungen, schon früh am Morgen, wenn er zur Arbeit fuhr, oder mitten in der Nacht, wenn er zu einem Noteinsatz gerufen wurde, oder wegen der Frauen, mit denen er sich in der Vergangenheit getroffen hatte; denn um sie zu sehen und sich zu amüsieren, musste er Marilyn allein lassen oder ihre Abwesenheit ausnutzen. Er dachte an Frances Stevens und an jenen Sommer vor vielen Jahren, als Marilyn bereits aufs College ging und er sein letztes Schuljahr hinter sich gebracht hatte, wie er unter dem Ford Modell A gelegen und sie plötzlich in der Garagentür entdeckt hatte; und als sie auf ihn zukam, beschlich ihn das Gefühl, Marilyn sei anwesend und höre das Gespräch mit an. Er erinnerte sich an den Vierer mit Lester und den zwei Krankenschwestern, damals, im Medizinstudium, als Marilyn für ein paar Wochen nach Cleveland gereist war, um ihren Vater zu besuchen. Selbst heute noch, so viele Jahre später, konnte er sich gut an die atemberaubende Schönheit des Mädchens erinnern, mit dem Lester ihn verkuppeln wollte. Andrea: rabenschwarzes Haar, rubinrote Lippen und Augen so dunkel wie die eines Rehs. Ein Abendessen, gefolgt von einigen Drinks, es war, als wäre er Junggeselle, und dann das Trinkspiel, sie nannten es Buzz, das die vier später in Lesters Wohnzimmer gespielt hatten; Lester und seine Freundin schienen darauf zu warten, dass das andere Pärchen zu irgendeinem Entschluss kam, und währenddessen betrank man sich, bis Sheppard an der Reihe war, das Glas an Lester weiterzugeben, der es wiederum seiner Freundin geben sollte, während sie alle im Schneidersitz um den niedrigen Sofatisch herumsaßen; und in dem Moment, in dem sie bei der Übergabe beide das Glas berührten, sagte Sheppard: »Gib’s ihr, Les.« Sein Freund hatte das Glas abgestellt und sich mit einem letzten Blick bei Sheppard rückversichert, so als bitte er um Erlaubnis, und dann küsste er die Frau. Die beiden schoben sich, ohne die Lippen voneinander zu lösen, aufs Sofa, während Sheppard Andreas Hand ergriff und sie ins Schlafzimmer zog, wo er sie bäuchlings aufs Bett drückte, ihren Rock hochriss und ihr den Schlüpfer herunterzog, eine Hand immer in ihrem Nacken, während sich das Stöhnen aller Anwesenden vermischte und er wild drauflosrammelte. Seltsamerweise hatte er immer wieder Marilyns Gesicht vor Augen gehabt, das irgendwie enttäuscht aussah, und dann waren Les und die andere Frau halb nackt im Schlafzimmer erschienen, sie hatten sich aufs Bett fallen lassen und umeinandergeschlängelt, und Sheppard hatte sich für einen Moment gerade aufgerichtet, so als wäre er eine verzauberte Schlange und die anderen, unter seinem Blick ineinanderverwickelt, der Rest seines Körpers. Und Marilyn schaute mit demselben Gesichtsausdruck auf sie alle hinunter, den sie heute bei der Abfahrt gehabt hatte. Warum heute?, fragte Sheppard sich. Warum immer noch? »Amüsier dich nicht zu gut.« Er wollte sich gar nicht amüsieren. Dafür war er nicht hergekommen. Wobei er den tatsächlichen Grund für seinen Besuch nicht mehr so genau wusste wie vor der Abreise.
    Er ruhte sich am tiefen Ende des Pools aus, legte die Arme auf den Beckenrand und das Kinn auf die gefalteten Hände. Er konnte die Sonne auf seiner Kopfhaut spüren. Irgendetwas an Susan hatte ihn heute abgestoßen. Das war unfair ihr gegenüber, aber er wurde das Gefühl ebenso wenig los wie die Erinnerung an Marilyns letzten Satz. Das ganze Make-up hatte die dunklen Ringe unter Susans Augen nicht vollkommen abdecken können, außerdem hatte ihr Atem nach einer abschreckenden Mischung aus Angst und Hoffnung gerochen. Als sie nach seinem Handgelenk gegriffen hatte bei dem Versuch, ihn aufzuhalten, hatten sich ihre Fingernägel in seine Haut gebohrt, und er hatte seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um sie nicht gewaltsam abzuschütteln. Selbst in diesem Augenblick, wo er sich eigentlich frei fühlen sollte, war Marilyn dabei. Es war, als erwarte sie etwas Bestimmtes von ihm. Aber was?
    Später an dem Abend, die Pokerrunde hatte längst angefangen, rief er Marilyn bei Jo an. Ein Ferngespräch zu später Stunde, es war schon fast elf, und er war genauso angetrunken wie alle anderen Partygäste. Ein Teil von ihm wollte mit ihr reden, während ein anderer Teil sie einfach nur wissen lassen wollte,

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