Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
Vom Netzwerk:
waren. Was ihre Unterhaltungen seltsam geziert klingen ließ.
    Sie nickte ihm ernst zu, wusste dann aber nichts weiter zu sagen.
    Es hatte eine Zeit gegeben, als er ständig auf der Suche nach Sex gewesen war und jede Frau, die ihm begegnete, auf ihre Unzufriedenheiten oder Interessen abgeklopft hatte, so als sei jede Interaktion die Tür zu einer Gelegenheit, einer denkbaren Alternative, und als drehe sich jedes Gespräch nicht um das eigentliche Thema, sondern um etwas ganz anderes. Aber nun war alles in den neuen Zustand umgeschlagen.
    Marilyn kam die Treppe herunter. »Ich glaube, er wird bald einschlafen«, flüsterte sie, setzte sich auf Sheppards Schoß, vergrub das Gesicht an seinem Hals, legte ihre Lippen an sein Ohr. »Er wird einschlafen«, sagte sie, und ihre Worte ließen ihn genüsslich erzittern.
    In ihrem Rücken klatschte Don in die Hände und zuckte im selben Moment schuldbewusst zusammen. »Sorry«, sagte er, »die Indians haben gewonnen.« Dann betrachtete er Sheppard, Marilyn und seine Frau. Nancy sagte: »Ich brauche auch ein bisschen Zuwendung.«
    Don räusperte sich, ging zum Sofa, setzte sich und nahm Nancys Kopf auf den Schoß. »Besser?«, fragte er und tätschelte ihre Schulter.
    Mit einem Blick in Marilyns Richtung schüttelte Nancy den Kopf.
    »Na ja, besser als nichts«, sagte Marilyn.
    Der Film hieß Strange Holiday , und soweit Sheppard es verstand – Marilyn liebkoste ihn pausenlos an Hals und Wange –, ging es um einen Mann, der eine Angeltour in den tiefsten Wald unternimmt und nach seiner Rückkehr feststellen muss, dass Faschisten die Macht übernommen haben. Er hätte den Plot argumentativ durchlöchern können, stattdessen drückte er sein Gesicht in Marilyns Haar.
    »Weißt du, woran ich gerade denken musste?«, fragte sie.
    »Sag es mir.«
    Sie ließ ihre Hand zwischen ihre und dann zwischen seine Beine gleiten und drückte zu. »Ich habe an Sandusky gedacht.«
    »Da war es nett«, sagte er.
    »In Sandusky war es sehr nett«, sagte sie.
    Er dachte an das Ferienhäuschen dort, in dem sie das vorletzte Wochenende verbracht und jeden Morgen und jeden Abend Sex gehabt hatten. Jetzt auf seinem Schoß begann Marilyn, ihn so unauffällig wie möglich zu streicheln, er wollte lachen und war gleichzeitig so erregt wie am Nachmittag, als er gesehen hatte, wie sie zwischen den Häusern den Drink von Nancy in Empfang genommen hatte. An besagtem Wochenende hatte er an einem Amateur-Autorennen teilgenommen, den wund geriebenen Penis, der in jeder Kurve pulsierte, zwischen die Oberschenkel geklemmt, und jedes Mal, wenn er an der Tribüne vorbeigedonnert war, hatte er Marilyn zwischen den Hunderten von Menschen erkennen können, so als sei ihr Gesicht das einzig lebendige und ihre Gesichtszüge unnatürlich scharf.
    »Schläfst du?«, fragte sie.
    »Lass mich aufstehen«, antwortete er.
    »Bleib.«
    »Ich komme wieder.« Er stand auf, ging zum Schlafsofa und legte sich hin.
    Er schlief ein.
    Er setzte sich auf. Alle schauten den Film, nur Marilyn drehte sich um, so als wäre im Moment seines Erwachens ein Signal bei ihr angekommen. Er rieb sich die Augen, und sie winkte ihn herüber. »Komm und schau den Film mit uns«, sagte sie.
    Er sah den Fernseher: Ein Mann saß in einer Zelle und wiederholte ständig denselben Satz.
    »Komm, Sam«, sagte sie. Lächelnd legte sie den Kopf in den Nacken. »Bald wird es besser.«
    Der Satz brachte ihn zum Schmunzeln, er legte sich wieder hin, ohne sie aus den Augen zu lassen, verschränkte die Arme über der Brust wie bei einem Mexican Standoff und lächelte sie an. Sie zuckte mit den Achseln und drehte sich wieder um. Für einen Moment betrachtete er ihren Hinterkopf durch die Holzstäbe des Schaukelstuhls, ihr Haar, die mit kleinen Flügelpaaren bedruckte Bluse, die athletische Form ihrer übereinandergeschlagenen Beine, die Mokkassins an ihren Füßen. Der eine war ihr halb vom Fuß gerutscht, und sie ließ ihn nun in einer wippenden Bewegung gegen ihre Ferse schlagen.
    Es ist möglich, dachte er, wunschlos glücklich verheiratet zu sein. Man muss nur gewillt sein, an Bord zu bleiben, auch wenn man sich auf hoher See verirrt hat und niemand einem die Rettung garantieren kann. Sie beide hatten durchgehalten, teilweise mit Mitteln, von denen der andere nichts ahnte und die einem Außenstehenden vorgekommen wären wie das Gegenteil von Durchhalten. Es war möglich, wunschlos glücklich zu sein. Und ebenso sicher war, dass dieses Glück vergänglich war.

Weitere Kostenlose Bücher