Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
Vom Netzwerk:
Kannibalismus.
    In den fünf Jahren nach Alice’ Fehlgeburten hatten er und sie an einer starren Routine mit kleinen Abweichungen festgehalten, und er war mit seinem Buch keinen Schritt weitergekommen. Sein Schreiben hatte ihn in einen Teufelskreis hineingedrängt. Sein Roman und seine Ehe hatten sich zu einem langen Warten entwickelt, zu einem langen Warten, und er wusste nicht, auf was.
    Aus diesem Grund begrüßte er die jüngste Wendung. Gewiss, es hätte vielleicht nicht unbedingt einen Krankenhausaufenthalt gebraucht, um wieder zueinanderzufinden, aber wenigstens würde Alice nun ihr Leben ändern! Er wusste nicht genau, was sie damit meinte, aber zumindest stand ihm mit großer Wahrscheinlichkeit eine Veränderung ins Haus.
    In der Zwischenzeit blieb Alice auf Abstand und verlor schnell die Geduld; seit Monaten hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen. Manchmal kam er abends nach Hause und überraschte sie am Telefon, woraufhin sie ruhig einhängte. Wenn er dann fragte: »Wer war das?«, sagte sie: »Niemand.« Er hakte nicht weiter nach. Ihr Laptop war tabu. Ihre Handyrechnungen waren neuerdings nirgendwo zu finden. Ihre Kontoauszüge und Kreditkartenabrechnungen waren verschwunden. Sie tauchte ab. Sie kam immer häufiger spät von der Arbeit heim. Sie besuchte, sorgfältig geschminkt und in ihren hübschesten Kleidern, ominöse Treffen, von denen sie ihm nichts erzählte. »Was soll das alles?«, hatte er gefragt. »Was?«, hatte sie gesagt. Er musterte sie. Wie viel Gewicht hatte sie schon verloren? Zehn Kilo? Fünfzehn? Gar keins? Er fand nicht, dass sie hübscher wirkte, sie war bloß weniger geworden. Hatte sie einen Liebhaber?
    »Ich gehe zum Sport«, sagte Alice eines Tages.
    Er schaute durch den Spion, bis sie im Aufzug verschwunden war, dann sprang er über die Treppe acht Stockwerke hinunter. Er folgte ihr in östlicher Richtung, zur Third Avenue, wo sie den Arm nach einem Taxi ausstreckte und sofort erfolgreich war. Als David es ihr gleichtun wollte, war weit und breit kein Taxi mehr zu sehen.
    Im Kino gibt es solche Probleme nie, dachte er und gab auf.
    Am nächsten Tag bestellte er einen Wagen und wies den Fahrer an, an der Third Avenue zu warten. Aber als Alice das Gebäude verlassen hatte, bog sie nach links auf die Lexington ab. Da sie in einer Einbahnstraße wohnten, war sie, als der Chauffeur einmal um den Block gefahren war, längst verschwunden.
    Am nächsten Tag bestellte er zwei Limousinen und ließ eine auf der Third und die andere auf der Lex warten. Letztere bestellte er telefonisch ab, als Alice nach Osten aufbrach.
    »Folgen Sie dem Taxi«, sagte er zum Fahrer.
    »Im Ernst?«, fragte der zurück.
    »Machen Sie Ihre verdammte Arbeit, ja?«
    Die Hauptfiguren eines Films mussten nie parken, und falls doch, fanden sie sofort eine Lücke. Wenn sie es eilig hatten, mussten sie nie darauf warten, dass der PC hochfuhr, und auch sonst kam es nie zu Verzögerungen. In einem Plot wurde keine Zeit verschwendet. Wozu auch?
    Sie stieg vor dem Fitnessbereich des CVJM aus.
    Warum roch es in allen dieser Hallen gleich? Diese besondere Mischung aus Körperflüssigkeiten, aus Achselschweiß und nassen Socken und einem ordentlichen Schuss Chlor. Wann immer er selbst schon irgendwann einmal hergekommen war, war eine zurückgeblieben wirkende Karikatur von einem Mann (dickes Kassengestell, CVJM-Logo auf dem T-Shirt, knöchelhohe Turnschuhe und bis an die Knie hochgezogene, schwarze Strümpfe) mit einem Staubsauger im Gebäude unterwegs gewesen. So auch heute. Besaß der Mann keine anderen Klamotten? Hatte er nichts anderes zu tun, als Staub zu saugen? »Sie haben da hinten eine Stelle vergessen«, sagte David und zeigte zurück, woraufhin der Mann sich bedankte und die Maschine in sofortigem Gehorsam in Richtung des Phantomschmutzes schob. David durchquerte die Männerumkleide, einen Ort, den sich seiner Meinung nach nur Dante ausgedacht haben konnte. Nicht, dass es hier verdreckt war oder ranzig gerochen hätte, nein, in der Tat waren die Räumlichkeiten sauber und hell erleuchtet, die gewaschenen Handtücher so warm wie frisch gebackenes Brot. Neben den Waschbecken standen in Clubman Cologne getauchte Kämme. Aber hier waren Monster unterwegs, Monster der menschlichen Art, aus Kreisen und Rechtecken zusammengesetzte Männer, die sich anscheinend allesamt genötigt sahen, nackt herumzulaufen, die für ihre eigenen Deformationen offenbar blind waren und sich so unbefangen bewegten wie Kinder. Nach

Weitere Kostenlose Bücher