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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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erklärte die Wichtigkeit der zur Deckung erhobenen Hände und des festen Standes – »vom Boden holt man sich die Kraft«, erklärte er –, und die Kinder rissen die Augen auf vor lauter Staunen darüber, wie weit der Sack nach jedem Schlag pendelte; bei jedem Hieb blinzelten die drei, als blase ihnen die Wucht des Hakens Wind in die Augen. Die Vorführung schien sie anzustacheln, noch mehr als das Toben im Wohnzimmer, und ehe er sich versah, drosch Chip auf den Sandsack ein, den Todd festhielt und dann losließ, um sich lachend die Hände auszuschütteln. Als Sheppard sich herunterbeugen und die Leistung seines Sohnes kommentieren wollte, sauste der um den Sack herum und klammerte sich an seinem Bein fest. Chips Haaransatz war klatschnass, und Sheppard rieb sanft darüber, während sein Sohn zu ihm aufblickte.
    »Fünf Minuten bis zum Essen!«, rief Marilyn.
    Er schickte die Kinder zum Waschen nach oben. Er hatte selbst geschwitzt und folgte ihnen, um sich die Hände zu waschen. Die Brise vom See war stärker und kälter geworden, und er fror. Zitternd und mit klappernden Zähnen griff er nach seinem Cordjackett, das hinter der Schlafzimmertür hing, dann ging er wieder nach unten. Nancy und Marilyn waren noch dabei, den Tisch auf der Veranda zu decken, nur Don hatte bereits Platz genommen, weil der Rollbraten, die grünen Bohnen und das Roggenbrot schon auf dem Tisch standen. Der Duft des Blaubeerkuchens im Ofen löschte alle Gedanken aus Sheppards Verstand. Die Kinder hatten bereits etwas zu essen bekommen und saßen am Küchentisch, außer Hörweite der Erwachsenengespräche und doch nah genug, um im Notfall gehört zu werden. Weder Marilyn noch die Aherns hatten bemerkt, dass er die Treppe heruntergekommen war, und Don, der Belüftungsanlagen für Krankenhäuser im ganzen Land installierte, war gerade dabei, eine Anekdote über Hoversten zum Besten zu geben. Sheppard blieb kurz neben dem Fernseher stehen, um zu lauschen.
    »Es wäre Wahnsinn, wenn Sam ihn einstellen würde. Ihr wisst doch, wie er seinen letzten Job verloren hat, oder? Im Grand View Hospital?«
    »Nein«, sagte Marilyn, »Sam wollte es mir nicht erzählen.«
    »Ich will es hören«, sagte Nancy.
    »Er wurde kaltgestellt, und zwar von sämtlichen weiblichen Krankenhausangestellten.«
    »Kaltgestellt? In welchem Sinne?«
    »Im Sinne von: ignoriert. Wie Luft behandelt. Sozusagen ausgelöscht. Im Ernst, von den Sekretärinnen über die Laborantinnen bis hin zu den Krankenschwestern. Er hatte so viele von denen begrapscht und so viele Anzüglichkeiten vom Stapel gelassen, dass die Frauen sich, nachdem ein paar ältere Mitarbeiterinnen mit einer offiziellen Beschwerde gescheitert waren, eines Tages einfach weigerten, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ausnahmslos alle Frauen im Krankenhaus taten plötzlich so, als ob Hoversten nicht mehr existierte. Einer der Oberärzte hat mir erzählt, etwas Verrückteres habe er nie gesehen. Die Aktion war perfekt koordiniert. Er kommt morgens rein und bittet um seinen Dienstplan, und die Sekretärin steht von ihrem Platz auf und geht weg, als wäre er ein Geist, den sie nicht sehen kann. Hoversten denkt sich, dass sie entweder verrückt geworden ist oder ihm einen Streich spielen will, also besorgt er sich den OP-Plan selbst und geht in die Umkleide. Aber er kann keine Krankenschwester finden, die ihm mit den Handschuhen oder dem OP-Kittel behilflich ist. Er schreit sie an, aber es ist, als wären sie allesamt taub. Sie schauen nicht mal in seine Richtung. Er betritt den OP zu einem Routineeingriff, Entfernung der Mandeln, aber da ist niemand außer ihm und dem Patienten. Der Personalchef flippt natürlich aus, als er von der Sache Wind bekommt, und das dauert nicht sonderlich lange, weil Hoversten brüllend im OPsteht. Er nimmt also die Oberschwester beiseite und befiehlt ihr, zurück an die Arbeit zu gehen, woraufhin sie ihm ein Ultimatum stellt: Der oder wir. Hoversten geht, oder die Klinik kann dichtmachen. Der Personalchef, monatelang von genervten Krankenschwestern und glotzenden Patienten zermürbt, bestellt Hoversten in sein Büro, erklärt ihm die Situation und fordert ihn auf, seine Sachen zu packen.«
    Marilyn schlug sich eine Hand vor den Mund.
    Nancy klatschte lachend in die Hände. »Wer sagt denn, es gäbe keine Gerechtigkeit?«
    Sie verstummten, als Sheppard eintrat.
    »Keine Sorge«, sagte er, »ich bin euch nicht böse. Ganz ehrlich – ich habe nichts davon gewusst.« Er dreh te sich zu Marilyn um.

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