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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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»Überhaupt, wo steckt Les?«
    »Er ist Golf spielen gegangen«, sagte sie. »In Kent.«
    »Mit wem?«
    Sie zögerte. »Dr. Stevenson.«
    Nancy sah sie an.
    Ein bisschen zu spät rieb Don sich die Hände, murmelte »hmm, lecker« und fing an, seinen Teller zu beladen.
    »Kommt er zum Essen?«, fragte Sheppard.
    »Ich glaube, er wollte das Wochenende anderswo verbringen«, sagte Marilyn.
    Er konnte das Schweigen nicht ertragen und war zu müde, um enttäuscht zu sein – über Hoverstens Unhöflichkeit, über das betretene Schweigen der anderen. »Nun gut«, sagte er, »dann bleibt mehr Kuchen für mich übrig.«
    Auch das war vorher, dachte er. Denn vorher bezeichnete nicht nur eine geistige Haltung, sondern auch die Menschen, mit denen man sich aufgrund dieser Haltung umgab. Vielleicht war Don weit mehr im Recht, als er ahnte, vielleicht stellte Hoversten tatsächlich eine Gefahr dar, nicht nur für das Krankenhaus, sondern auch für Sheppards neues Leben. Was waren die Jahre ihrer Freundschaft noch wert angesichts der jüngsten Vorfälle? Wozu wollte er ihn um sich haben? Warum sollte er mit ihm anders verfahren als mit allen Dingen, die er nicht mehr in seinem Leben wollte, warum nicht den Mann ziehen lassen. Bei der Erwähnung von Dr. Stevensons Namen musste Sheppard allerdings unweigerlich an einen Zwischenfall vor einigen Monaten denken, kurz bevor Stevenson die Verlobung mit Susan Hayes gelöst hatte. Sie waren dabei, ihre Hände zu desinfizieren, nur sie zwei, und Sheppard versuchte, über das Indians-Spiel vom Vorabend zu plaudern, dabei war er sich bei jedem einzelnen seiner Worte seines kleinen Geheimnisses bewusst, die Erinnerung an den Sex mit Susan am selben Morgen war noch ganz frisch.
    »Dr. Sheppard«, unterbrach ihn Stevenson, »darf ich etwas sagen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Solange ich für Sie arbeite, dürfen Sie meiner ungeteilten Aufmerksamkeit in meiner Funktion als Facharzt sicher sein. Ich werde all Ihre Anweisungen und Vorgaben buchstabengetreu befolgen. Ich werde alles lernen, was Sie mich zu lehren haben. Aber darüber hinaus«, sagte er und wandte sich Sheppard zu, »will ich kein verdammtes Wort aus Ihrem Mund mehr hören.«
    Sheppard drehte sich zu ihm um, musterte sein wütendes Gesicht und den Zeigefinger, den Stevenson zwischen ihnen in die Höhe reckte, und wandte sich dann wieder ab, weil er lächeln musste. Er konnte es sich nicht verkneifen. Er war kurz davor, in Gelächter auszubrechen. Der dramatische Auftritt des jungen Mannes wirkte einstudiert, sein gerechter Zorn hatte kaum mehr Wucht als ein Luftschlag. Er schämte sich für sie beide. Über dem Waschbecken, in der Glasscheibe, die den Blick in den Operationssaal freigab, sah er, wie Stevensons Spiegelbild ihm den Rücken zukehrte und sich wütend die Hände abschrubbte, und dann sah er sein eigenes, zufriedenes Gesicht; sein Lächeln erinnerte ihn an das debile Grinsen eines Betrunkenen, und zwischen dem Gesichtsausdruck und den Vorgängen in seinem Gehirn klaffte eine riesige Lücke. Ein Betrunkener lächelt über eine Beleidigung ebenso wie über ein Kompliment. Sein Ekel war auf einmal so stark, dass er am liebsten hinausgerannt wäre. Dir ist wohl alles egal, hatte er gedacht.
    Selbst jetzt noch, wo er auf der Veranda saß, ließ die Erinnerung ihn zusammenzucken.
    Die Kinder kamen heraus, als sie beim Dessert waren, nur Sekunden bevor die erste Feuerwerksrakete losging, so als hätten sie kleine, eingebaute Alarmwecker, die sie auf den Beginn der Feierlichkeiten hingewiesen hatten. Chip saß auf dem Schoß seiner Mutter, aber Sheppard winkte ihn zu sich, nahm ihn zwischen die Beine und erklärte ihm, wie die Raketen funktionierten und auf welche Weise die wunderhübschen Formen zustande kamen. Die Hülse an der Spitze einer jeden Rakete war mit Schwarzpulver und Leuchtkugeln gefüllt, und jede einzelne davon war als Lichtpunkt am Himmel zu erkennen, weil der Effektsatz darauf ausgelegt war, auf dem Gipfelpunkt der Flugbahn zu explodieren. Das Schwarzpulver wurde entzündet und schleuderte die Leuchtkugeln gleichmäßig und in vorausberechneten Mustern – als Blumen oder in konzentrischen Kreisen – in den Himmel, bevor sie eine halbe Sekunde später in den verschiedensten Farben explodierten. »Was du siehst, ist eine Kettenreaktion.« Und ob Chip ihm folgen konnte oder nicht, er hörte aufmerksam zu und klammerte sich, als das Feuerwerk seinen Höhepunkt erreichte und die Detonationen das Geschirr auf

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