Misterioso
freundlich.
»Wir untersuchen gerade, welche Verbindungen es zwischen den Somaliern und den Russen gibt. Vermutlich haben wir es mit einer Konspiration auf altem kommunistischen Nährboden zu tun.«
Hultin streckte den Rücken und blickte immer noch recht freundlich drein. Söderstedt und Norlander fürchteten in einem Raum wie diesem ein wenig die Nebenwirkungen eines gut gezielten Augenbrauennickers. Aber Hultin teilte seine Kopfnuss diesmal nur im übertragenen Sinne aus.
»Ihr wisst seit gut einem Monat, dass Igor und Igor ein wichtiger Punkt in unserer Ermittlung sind, zumindest hätten euch spätestens die Fahndungsbilder in der Zeitung auffallen müssen. Ihr habt absichtlich und grob fahrlässig den, wie der Reichspolizeichef es erst gestern wieder im Fernsehen genannt hat, wichtigsten Ermittlungen seit dem Palme-Mord Informationen vorenthalten und seid außerdem unter dem Deckmantel der Reichskripo vorgegangen, und das ausgerechnet für eine höchst regelwidrige und hochgradig illegale Verdunklungsaktion. Das sind nicht einfach nur Dienstvergehen, das ist kriminell. Ich werde mich jetzt auf direktem Weg zum Reichspolizeichef begeben und ihn über eure Gesetzesverstöße unterrichten. Stellt euch darauf ein, dass ihr spätestens heute Nachmittag eure Dienstausweise abgeben könnt. Packt schon mal eure Sachen.«
»Willst du uns drohen?« fragte Gillis Döös und erhob sich.
»Ich würde es eher als ein Versprechen sehen«, erwiderte Hultin und lächelte zuvorkommend.
31
Gunnar Nyberg wurde über eine Magensonde ernährt. Gerade liefen unerhörte Mengen Suppe durch den Schlauch, der aus einer dicken Bandage ragte, die vom Schädel bis zum Hals reichte. Viel mehr als die Augen war nicht zu sehen, und die strahlten vor Glück.
»Ich konnte Nyberg gerade die erfreuliche Nachricht überbringen, dass er bald ganz wiederhergestellt sein wird«, erklärte der Arzt den Besuchern. »Die Kugel hat die Halsschlagader und den Kehlkopf um einen knappen Zentimeter verfehlt, dafür aber den oberen Teil der Speiseröhre durchschlagen, direkt unterhalb des Zäpfchens. Singen wird er bald wieder können, aber bis er wieder normal essen kann, wird es noch eine Weile dauern. Außerdem sind das linke Jochbein und der linke Oberkieferknochen gebrochen. Er hat eine ordentliche Gehirnerschütterung, jede Menge Abschürfungen im Gesicht sowie Quetsch- und Brandwunden. Soviel zu den Körperpartien schulteraufwärts. Ansonsten hat er vier Rippenbrüche, eine Fraktur im rechten Arm sowie haufenweise leichtere Fleisch- und Brandwunden am ganzen Körper. Aber gemessen daran«, fügte der Arzt hinzu, ehe er sie allein ließ, »macht er einen richtig frischen Eindruck.«
Nyberg hatte sich eine schwarze Schiefertafel organisiert, über die er sich, krakelig mit der linken Hand schreibend, mit seiner Umwelt verständigte.
»Igor?« schrieb er als erstes.
Hjelm nickte.
»Alexander Brjusov. Dein waghalsiges Autoramm-Manöver hat die Verbindungen zwischen Viktor X und Lovisedal ans Licht gebracht, umfangreiche Verbindungen. Brjusov wird vermutlich als Kronzeuge aussagen.«
Nyberg schrieb: »Nicht unser Mann oder?«
Gemeinsam entzifferten sie das Gekritzel.
»Nein«, antwortete Chavez. » Unser Mann ist ein gewöhnlicher schwedischer Bankangestellter namens Göran Andersson.«
Hier und da war unter den dicken Bandagen ein leichtes Zucken zu erahnen, das vielleicht als ein Lachen interpretiert werden konnte.
»Es wird landesweit nach ihm gefahndet. Vielleicht schaffst du es ja noch zurück, ehe wir ihn schnappen«, sagte Hjelm aufmunternd.
Nyberg schüttelte energisch den bandagierten Kopf. Die Schläuche, die ihn mit dem Maschinenpark verbanden, von dem er umstellt war, spannten sich bedenklich. Ein Apparat gab ein hektisches Piepsen von sich. Nyberg schrieb: »Nein, in ein paar Tagen habt ihr ihn«, wischte alles aus und kritzelte eine neue Mitteilung: »Missa.«
»Hä?« Hjelm verstand nicht.
»Aha«, sagte Kerstin Holm, die am Fußende stand. Sie zog einen Stuhl ans Bett, setzte sich neben Nyberg und nahm seine linke Hand, den einzigen unbandagierten Körperteil. Und dann begann sie zu singen, mit absolut reiner und glasklarer Stimme. Die führende Altpartie aus Palestrinas Missa papae Marcelli.
Nyberg schloss die Augen. Und Hjelm und Chavez lauschten andächtig.
Als sie wieder ins Polizeipräsidium kamen, fand Hjelm ein Fax auf seinem Schreibtisch. Sein Chef Hultin wartete bereits in der Kampfleitzentrale, darum warf er
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