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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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zu, durchquert erneut den langen Flur und kehrt in das riesige Wohnzimmer zurück. Wieder macht er einen Bogen um die feurigroten Arabesken des handgeknüpften Teppichs, geht zur Stereoanlage und drückt auf Eject. In einer angedeuteten Ellipse schiebt sich die Kassette gelassen aus dem Fach. Er steckt sie in die Tasche. Dann schaltet er die Anlage aus.
    Er sieht sich noch einmal in dem Raum um. Atmosphäre, denkt er. Selbst die Staubkörner scheinen eigens bestellt worden zu sein, passend zum Lüster, den sie so stilvoll umwirbeln.
    Vor seinem inneren Auge erscheint eine Liste. Er vollführt mental eine Verbeugung.
    Kuno, denkt er lächelnd. Ist das nicht ein Gesellschaftsspiel?
    Beim Verlassen des gigantischen Wohnzimmers wählt er einen anderen Weg als beim Betreten. Der Teaktisch und die vier dazu passenden Stühle mit den hohen Rückenlehnen stehen auf einem anderen, ebenfalls handgeknüpften Teppich. Er bildet sich ein, dass es sich um einen Perser handelt. Im Gegensatz zu dem roten pakistanischen Teppich ist er beige gehalten.
    Wenngleich sie einander nun sehr ähneln.
    Neben dem Tisch muss er über das hinwegsteigen, was den Perserteppich rot färbt. Er hebt seine Beine über ein Paar andere.
    Im Garten blinzelt ein verschlafener Vollmond unter seiner daunigen Wolkendecke hervor und beleuchtet einen verschleierten Elfenreigen auf den kahlen Apfelbäumen.
     

4
     
    Kriminalkommissar Erik Bruun hatte vergessen, den roten Knopf an seinem Schreibtisch zu drücken, und so leuchtete im Flur, von einem Summen begleitet, am Türrahmen über seinem Namensschild eine grüne Lampe auf. Paul Hjelm drückte die Klinke der ewig geschlossenen Tür und trat ein.
    Die Polizeidienststelle mit ihrer merkwürdigen Ortsmixtur stellte sich in etwa folgendermaßen dar: in Fittja gelegen mit Postanschrift Norsborg, Gemeinde Botkyrka, Polizeibehörde Huddinge. Hjelm selbst wohnte in einem Reihenhaus in Norsborg. Trotzdem konnte er nie genau sagen, an welchem Ort er sich befand. Am allerwenigsten jetzt.
    Ein gottverlassener Ort, dachte er in einem Anflug von Tragik, als er den Raum betrat, der als Das Braune Zimmer bekannt war. Einmal im Jahr bekam es neue Tapeten, doch die waren innerhalb weniger Tage wieder braun; Erik Bruun pflegte sie mit einer seiner schwarzen Zigarren einzuweihen. Hjelm war nie in Brauns Junggesellenwohnung in Eriksberg gewesen, die er nur aus Erzählungen kannte, aber er konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Wände dort aussahen. Er selbst war Nichtraucher, auch wenn er sich schon mal die eine oder andere Zigarette ansteckte, um nicht zum Sklaven seiner Tugend zu werden, wie ein weiser Mann es einmal ausgedrückt hatte.
    An diesem Tag hatte er bereits sechs Zigaretten geraucht, und er wusste, dass es noch mehr werden würden. Das Nikotin zeigte erste Wirkung in seinem Kopf, und so blieb der sonst übliche Schock beim Betreten des Braunen Zimmers aus, das von der Gesundheitsbehörde wiederholt als massiv gesundheits-gefährdend eingestuft worden war. Ein übereifriger Beamter hatte einmal einen Totenkopfaufkleber auf Bruuns Tür geklebt, dessen restlose Entfernung Hjelm und Ernstsson drei Stunden ihrer wertvollen Arbeitszeit gekostet hatte.
    Erik Bruun war nicht allein. Er thronte hinter seinem überbordenden Schreibtisch und sog an einer seiner unsäglichen russischen Zigarren. Auf dem Sofa vorm Fenster saßen zwei äußerst elegant gekleidete Herren ungefähr in Hjelms Alter, also um die Vierzig – wer wäre jemals auf die Schnapsidee gekommen, ihn als »Herrn« zu bezeichnen? In diesem Fall lag das Wort nahe. Er kannte die Herren nicht, aber er kannte diese aalglatten Gesichtszüge.
    Na ja, was hatte er anderes erwartet.
    Bruun wuchtete seinen massigen Körper aus dem Stuhl und kam ihm entgegen; eine derartige Joggingeinlage hatte Seltenheitswert. Er schüttelte Hjelm die Hand und kratzte sich den grauroten Bart.
    »Ich darf gratulieren«, sagte er mit besonderer Betonung auf dem Ich. »Außerordentliche Leistung. Wie fühlst du dich? Hast du schon mit Cecilia gesprochen?«
    »Danke«, erwiderte Hjelm mit einem Blick auf die beiden Herren. »Ich hab sie noch nicht erreicht. Sie wird es wohl auf anderem Weg erfahren, nehme ich an ...«
    Bruun nickte zögernd und kehrte zu seinem Lieblingsstuhl zurück.
    »Wie gesagt: Wir hier im Haus gratulieren dir und stehen hinter dir ... Du hast noch nicht die Frage beantwortet, wie du dich fühlst...«
    Wieder nickte Bruun langsam und bedeutungsvoll.
    »Verstehe«,

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