Misterioso
sagte er.
Sie sah ihn zynisch an.
Graf Carl-Gustaf af Silfverbladh war 1992 auf das Familiengut nach Dorset in England gezogen, um, nachdem er sich die Hörner abgestoßen hatte, eine anständige Ausbildung in Oxford zu absolvieren wie schon sein Vater und Großvater vor ihm. Er war seitdem nicht mehr in Schweden gewesen und würde voraussichtlich auch niemals zurückkommen.
Hjelm fragte sich, wie die Engländer wohl seinen Namen aussprachen.
Gusten Bergström war achtundzwanzig, ein paar Jahre älter, als seine Schwester inzwischen gewesen wäre. Er wohnte in der Gamla Brogatan mitten im Zentrum und arbeitete als Computerexperte bei der Schwedischen Bahn, in der Geschäftsstelle für Fernreiseverkehr.
Als Hjelm an seiner Wohnungstür klingelte, sah er, wie der Spion in der Tür sich verdunkelte.
»Polizei!« brüllte er und pochte gegen die Tür.
Der Mann, der öffnete, war dünn wie ein Streichholz. Seine Frisur erinnerte stark an ein Toupe, war aber sicher keins. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern und sah aus wie eine Mischung aus jugendlichem Hacker und ältlichem Oberbuchhalter.
Hjelm musterte Gusten Bergström enttäuscht. Dass das kein Mörder war, darauf hätte er sein Leben verwettet.
»Kriminalpolizei«, sagte er und hielt seinen Ausweis hoch.
Gusten Bergström ließ ihn wortlos in die Wohnung treten, die, gelinde gesagt, einen asketischen Eindruck machte. Ein einziges Zimmer, in dem ein Computer lief, völlig kahle Wände. Ehe Bergström das Bild auf dem Bildschirm verdunkeln konnte, hatte Hjelm noch einen Blick auf eine ungeheuer wirklichkeitsgetreue nackte Frau erhascht. War das ein Computerporno?, dachte er und kam sich sehr alt vor.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Gusten Bergström höflich.
Hjelm setzte sich auf ein Barockstilsofa und Bergström in den dazu passenden Sessel.
»Ich würde gern mit Ihnen über Ihre Schwester reden«, sagte Hjelm so vorsichtig wie möglich.
Bergström sprang auf und ging zu dem Regal, in dem auch der Computer stand. Er nahm ein goldgerahmtes Foto aus einem der Fächer und reichte es Hjelm. Ein Teenager lächelte ihn breit an. Sie hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit ihrem Bruder.
»Das ist an Lottas siebzehntem Geburtstag aufgenommen worden; danach begann es ihr richtig schlecht zugehen«, erklärte Gusten Bergström niedergeschlagen.
»Hübsch«, sagte Hjelm und kam sich schäbig vor. Das Bild war aus der Zeit vor dem Vorfall auf dem Golfplatz.
»Worum geht es?« fragte Bergström und schob die Brille in die Stirn.
»In dem Alter hat sie als Caddie auf dem Golfplatz von Ke-vinge gearbeitet. Erinnern Sie sich daran?«
Gusten Bergström nickte bedächtig.
»Hat Sie Ihnen je von dem Job erzählt?«
»Nein«, seufzte Bergström. Irgendwas in ihm schien endgültig zerbrochen.
»Gar nichts?«
Zum ersten Mal sah Bergström ihm in die Augen. Beide suchten sie etwas bei dem anderen.
»Worum geht es?« fragte Bergström noch einmal. »Meine Schwester ist seit ein paar Jahren tot. Warum kommen Sie hierher und reden von ihr, als würde sie noch leben? Ich hab mich gerade an den Gedanken gewöhnt, dass sie tot ist. Tot und für immer weg.«
»Im Herbst 1990 hat sie den Job im Golfklub verloren. Können Sie sich daran erinnern?«
»Ich bekomme so seltsame Antworten auf meine Fragen«, sagte Bergström gequält.
»Ich auch«, sagte Hjelm. »Und dabei bin ich es doch, der die Fragen stellt.«
Bergström seufzte tief und fühlte sich wahrscheinlich, als risse ihm jemand den Schorf von seinen Wunden.
»Doch, ich erinnere mich daran. Die Saison war vorbei, der Golfklub machte für den Winter dicht. Sie ging noch zur Schule, es war also keine Katastrophe, dass ihr der Ferienjob abhanden kam.«
»Und sonst erinnern Sie sich an nichts? Hat sie Ihnen von der Zeit auf dem Golfplatz gar nichts erzählt?«
»Sie hatte den Job durch eine Freundin bekommen, den Namen weiß ich nicht mehr. Ich hab mich in Danderyd nie wohl gefühlt, wenn ich ehrlich sein soll, kannte dort niemanden. Sie wohl auch nicht. Das war keine glückliche Zeit. Überhaupt keine glückliche Zeit.«
»Kurz danach hat sie zum dritten Mal versucht, sich das Leben zu nehmen, nicht wahr?«
»Sie sind wirklich feinfühlig«, sagte Bergström angestrengt. »Ja, hat sie. Mit einer Rasierklinge, zum ersten und einzigen Mal. Gelungen ist es ihr am Ende mit ein paar Alvedon. Wussten Sie, dass eine winzige Menge Alvedon ausreicht, um Leber und Nieren außer Gefecht zu setzen, wenn man es nur mit
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