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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Rächer aus dem Reich der Toten.
    Der Gedanke an eine höchst materielle Kugel aus Kasachstan in der Wand einer Djursholmer Villa holte ihn in die Realität zurück.
    »Vielleicht haben die Erinnyen ein Medium gehabt, das den Abzug bedient hat. Wem könnte Ihre Schwester von dem Vorfall auf dem Golfplatz erzählt haben?«
    »Es gab nur uns zwei! Verstehen Sie nicht? Nur sie und ich, Lotta und Gusten. Gusten und Lotta.«
    »Vater, Mutter, jemand in der Psychiatrie?«
    »Unser Vater? Na, ganz bestimmt!« Gusten Bergström lachte. Er hatte eine Schwelle überschritten. »Mutter? Die Stumme, Taube und Blinde? Sicherlich! Jemand aus Beckomberga? Wo jeder in seiner Ecke hockt und sich von morgens bis abends die Geschlechtsteile massiert? Sehr wahrscheinlich! Da haben Sie Ihren kaltblütigen Mörder! Der Beckombergamann! Der Präzisionsmörder aus dem Irrenhaus!«
    Hjelm spürte, dass es an der Zeit war, Gusten Bergström mit seinem verrückten Kummer allein zu lassen.
    Die nächsten Tage verbrachte Hjelm damit, die Golfspur weiterzuverfolgen. Er fuhr nach Beckomberga und sprach mit dem Personal der psychiatrischen Klinik, um einen eventuellen Freundeskreis Lottas ausfindig zu machen. Es gab keinen. Der einzige Mitarbeiter, der seit Anfang der neunziger Jahre dabei war, ein abgebrühter Pfleger, erinnerte sich an Lotta als ausgeprägte Einzelgängerin. Krankhaft verschlossen, vollkommen introvertiert. Der einzige, dem Lotta Bergström von dem Vorfall erzählt haben konnte, war und blieb ihr Bruder, und dem hatte sie offensichtlich nichts gesagt. Es sei denn, Gusten Bergström war ein genialer Schauspieler. Hjelm richtete seine Aufmerksamkeit auf Lena Hanssons Familie und ihren Freundeskreis, wobei genauso wenig herauskam. Sie hatte sich tatsächlich von Daggfeldt und den anderen beiden Burschen ihr Schweigen abkaufen lassen. Die einzige Möglichkeit, die Hjelm nach mehreren Tagen fruchtloser Suche noch einfiel, war, dass Lena Hansson einen Killer engagiert hatte. Er ließ die Spur ruhen.
    In dieser Phase erhielt er die Vorladung zu der Verhandlung gegen Dritero Frakulla. Er konnte nicht behaupten, dass er sich darauf freute. Wenige Wochen nach Frakullas Geiselnahme in der Einwandererbehörde in Hallunda hatte die Flüchtlingspolitik eine plötzliche Kursänderung vorgenommen. Mehrere hundert von der Ausweisung bedrohte Kosovoalbaner hatten plötzlich bleiben dürfen. Unter ihnen Dritero Frakulla und seine Familie, der nach dem verzweifelten Versuch, seine Familie zu retten, nun abgeschoben werden würde, sobald er seine Gefängnisstrafe abgesessen hatte. Die Aktion, mit der er die Familie vor der Abschiebung hatte bewahren wollen, hatte genau den entgegengesetzten Effekt gehabt. Ironie des Schicksals war in Hjelms Augen noch eine absolute Untertreibung.
    Er wurde im Gerichtssaal des Rathauses in den Zeugenstand gerufen und bemühte sich um größtmögliche Sachlichkeit und Klarheit. Es gelang ihm einigermaßen, die Presseleute zu ignorieren, die ihn vor, während und nach der Verhandlung bedrängten, aber Dritero Frakullas finsterem Blick entkam er nicht. Frakullas Arm steckte immer noch in einer Schlaufe, und von der Anklagebank her schaute er Hjelm unverwandt an. Sein Blick war nicht anklagend, eher gebrochen. Trotzdem gelang es Hjelm nicht, sich von dem Vorwurf freizumachen, der möglicherweise nur in seinem Kopf existierte. Er hatte das Gefühl, dass Frakulla ihn nicht anklagte, weil er auf ihn geschossen hatte, sondern weil er ihn nicht erschossen hatte. Wäre er getötet worden, hätte seine Familie bleiben können, jetzt würden sie ihm in ein paar Jahren in den Kosovo folgen müssen. Frakullas gebrochener Blick war der Auslöser dieses zutiefst unbehaglichen Gefühls, das jedes seiner Worte und jede Antwort, die Hjelm auf die verbindlichen Fragen des Staatsanwalts und die anklagenden Fragen des Verteidigers gab, begleitete und behinderte. Frakullas Pflichtverteidiger war ein blasierter älterer Herr, der punktgenau die richtigen Fragen stellte: Warum hatte er nicht das Eintreffen der Spezialeinheit abgewartet? Warum hatte die Abteilung für interne Ermittlungen den Fall nicht aufgegriffen? Bruun, Hultin und Mörner war es offenbar gelungen, alle Spuren der Vernehmung, die Grundström und Märtensson mit ihm durchgeführt hatten, zu beseitigen. Aber alle Attacken waren harmlos gegen Frakullas starren Blick.
    Als er den Zeugenstand verließ und zwischen den Bankreihen hindurch aus dem Saal ging, sah er den Blick eines

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