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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Hauptstadt Australiens verdient wegen ihres Reichthums an Schönheiten und ihrer prächtigen Lage den Ruf, welchen sie genießt.
    Am Abend des folgenden Tages begaben sich Mrs. Branican und Zach Fren an Bord des Schiffes. In der ersten Stunde blieb Dolly auf dem Verdeck des Hintertheiles und sah träumerisch nach der Küste hinüber. In diesen Continent mußte sie also eindringen, dem John nicht hatte entrinnen können.
    Seit vierzehn Jahren waren sie getrennt!
    »Vierzehn Jahre,« murmelte sie.
    Dann stieg sie in ihre Cajüte hinab und legte sich nieder. Am folgenden Tage war sie schon frühzeitig auf Deck, und auch Zach Fren befand sich schon oben. In diesem Augenblicke näherte sich ein Schiffsjunge schüchtern der Mrs. Branican und fragte sie im Namen des Capitäns, ob sie nicht etwas bedürfe.
    »Nein, liebes Kind, erwiderte Dolly.
    – Ei, das ist ja der Bursche, der mir gestern die Cajüte gezeigt hat, sagte Zach Fren.
    – Ja, Herr, ich bin es.
    – Wie heißt Du?
    – Ich heiße Godfrey.
    – Nun, Godfrey, jetzt weißt Du es wohl bestimmt, daß Mrs. Branican auf Deinem Schiffe ist… und ich glaube, es wird Dich auch freuen.
    – Ja, Herr, wie uns Alle an Bord. Ja, wir beten Alle, daß das Unternehmen der Mrs. Branican gelinge, daß sie den Capitän John auffinden möge.«
    Indem Godfrey so sprach, sah er sie mit so viel Achtung und Begeisterung an, daß Dolly ganz gerührt war. Die Stimme dieses Schiffsjungen kam ihr bekannt vor.
    »Mein Kind, hast Du mich nicht vor der Thür des Spitals in Sydney angesprochen?
    – Das war ich.
    – Du hast mich gefragt, ob der Capitän John noch lebe?
    – Ja.
    – Du gehörst also zu diesem Schiffe?
    – Ja… seit einem Jahre. Aber so Gott will, werde ich es bald verlassen.«
    Ohne Zweifel wollte er oder wagte er nichts mehr zu sagen und zog sich zurück, um dem Capitän zu melden, daß Mrs. Branican keinen Wunsch habe.
    »Dieser Junge scheint Seemannsblut in seinen Adern zu haben, bemerkte Zach Fren. Das zeigt schon sein ganzes Aussehen… Dieser freie, klare, entschlossene Blick… Seine Stimme ist zu gleicher Zeit sanft und entschlossen.
    – Seine Stimme!« murmelte Dolly.
    Es schien ihr, als wenn sie John sprechen hörte, nur war das Organ ein wenig weicher. Aber noch mehr: Diese Züge erinnerten sie an John… an John, als er noch nicht dreißig Jahre alt war, und der »Franklin« ihn für so lange Zeit von ihr entführte.
    »Sie sehen, Mrs. Branican, sagte Zach Fren, indem er sich seine großen Hände rieb, Engländer und Amerikaner, die ganze Welt bringt Ihnen Sympathie entgegen… Sie werden in Australien dieselbe Verehrung finden, wie in Amerika… Jeder hat denselben Wunsch, wie dieser junge Engländer.
    – Ist es ein Engländer?« fragte sich Mrs. Branican tief gerührt.
    Da das Meer sehr ruhig war, hatten sie an diesem Tage eine herrliche Fahrt, so daß Dolly das Verdeck fast gar nicht verließ. Die übrigen Passagiere brachten ihr ein außerordentliches Interesse entgegen und wetteiferten, ihr Gesellschaft zu leisten. Sie wünschten diese Frau zu sehen, deren Unglück so viel Theilnahme erweckte, und die nicht aufhörte, so vielen Gefahren zu trotzen, so vielen Strapazen die Stirn zu bieten, nur um ihren Gatten zu retten, wenn die Vorsehung ihn am Leben gelassen hatte. Uebrigens hätte dies Niemand bezweifelt. Wie hätte man auch nicht ihre Zuversicht theilen sollen, wenn sie von ihren Plänen sprach, wenn ihr Auge aufleuchtete und sie mit voller Zuversicht hoffte, ihren Gatten zu retten.
    Je länger die Ueberfahrt dauerte, desto weniger konnte sie ihre Blicke von Godfrey abwenden. Sein Gesicht, sein Gang, seine Haltung, Alles zog sie zu ihm. Dolly konnte Zach Fren nicht verbergen, daß sie zwischen John und Godfrey eine auffallende Aehnlichkeit finde. Auch Zach Fren sah mit großer Unruhe, welch tiefen Eindruck diese zufällige Aehnlichkeit auf sie machte, und er fürchtete nicht ohne Grund, daß sie sich dabei zu sehr an ihr verlorenes Kind erinnerte.
    Doch Godfrey war nicht mehr in ihre Nähe gekommen, weil sein Dienst ihn stets auf dem Vordertheile des Schiffes beschäftigte und das Hinterdeck ausschließlich den Reisenden der ersten Classe zur Verfügung stand. Aber aus der Ferne hatten sich ihre Blicke schon oft begegnet und Dolly wollte ihn rufen… Ja! Godfrey wäre auf das geringste Zeichen sofort herbeigeeilt… Dolly gab dieses Zeichen nicht und Godfrey kam nicht. Als Zach Fren an jenem Abend Mrs. Branican in die Cajüte hinabführte, sagte sie

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