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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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englischen Postdampfern kümmert sich Niemand um die Passagiere. Sie sind Reisende und als solche reisen sie eben. Der Kellner konnte nur sagen, daß dieser Engländer eine Cabine unter dem Namen Joshua Meritt – abgekürzt Jos Meritt – aus Liverpool – Diener Gîn-Ghi aus Hong-Kong (Himmlisches Reich) – bestellt habe.
    Jos Meritt saß immer auf dem Hinterdeck und verließ dasselbe erst zum Lunch, wenn die Glocke vier Uhr schlug. Um halb fünf kam er wieder, ging um sieben Uhr zum Diner, erschien um acht Uhr und stieg um zehn Uhr in wohl abgemessenen Schritten, den Kopf weder rechts noch links drehend, steif nach der Cabine hinab.
    Mrs. Branican begab sich eines Abends um neun Uhr auf das Verdeck, obwohl es ziemlich kühl war. Wollte sie dem Knaben begegnen, mit ihm sprechen, ihn fragen, von ihm erfahren… was erfahren? Da Godfrey aber bis zehn Uhr Dienst hatte und er die Wache erst um zwei Uhr Morgens wieder beziehen sollte, mußte Dolly enttäuscht und abgespannt ihre Cajüte wieder aufsuchen.
    Um Mitternacht fuhr der »Brisbane« um das Cap Otway, den äußersten Punkt des Districtes Polwarth. Von hier aus schlug er eine nordwestliche Richtung bis zur Höhe der Bucht von Discovery am 141. Längengrade ein, jener Linie, die Victoria und Neu-Südwales von den Ländern Südaustraliens trennt.
    Am folgenden Morgen saß der Engländer wieder steif auf seinem gewohnten Platze; der Chinese schnarchte in einer Ecke. Zach Fren mußte wohl an die Gepflogenheiten dieser Leute gewöhnt sein, aber doch konnte er nicht ohne gewisses Erstaunen diesen so gelungenen Typus einer mechanischen Figur betrachten.
    Wie groß war seine Ueberraschung, als er an diesem unbeweglichen Gentleman vorüberging und seinen Namen hörte!
    »Hochbootsmann Zach Fren, nicht wahr?
    – Ja! erwiderte Zach Fren.
    – Der Begleiter der Mrs. Branican?
    – Ganz richtig… Ich sehe, Sie wissen…
    – Ich weiß… auf Suche nach ihrem Gatten… seit vierzehn Jahren verschollen… Gut!… O!… Sehr gut!
    – Wie… sehr gut?
    – Ja… Mrs. Branican… Sehr gut!… Ich auch… ich suche auch…
    – Ihre Frau?
    – O… nicht verheiratet!… Wenn ich meine Frau verloren hätte, so würde ich sie nicht suchen.
    – Also warum?
    – Um einen… Hut zu finden!
    – Einen Hut… Sie haben Ihren Hut verlegt?
    – Meinen Hut?… Nein!… Den Hut… Ich weiß schon!… Meine Empfehlung an Mrs. Branican… Gut!… O!… Sehr gut!«
    Die Lippen Jos Meritt’s schlossen sich und ließen keine Silbe mehr heraus.
    »Das ist ein reiner Narr,« sagte Zach Fren für sich und ging weiter.
    Als Dolly auf das Verdeck kam, ging Zach Fren auf sie zu und beide setzten sich dem Engländer gegenüber. Dieser rührte sich nicht mehr. Da er Zach Fren beauftragt hatte, Mrs. Branican seine Empfehlung darzubringen, hielt er es ohne Zweifel nicht mehr für nöthig, es noch selbst zu thun.
    Uebrigens bemerkte Dolly gar nicht diesen sonderbaren Passagier, denn sie hatte mit Zach Fren eine wichtige Unterredung über alle Vorbereitungen zu der Expedition, die sofort nach der Ankunft in Adelaïde in Angriff genommen werden sollte, um keinen Tag, keine Stunde zu verlieren. Es war nothwendig, daß die Expedition die Länder von Central-Australien wenn möglich schon durchzogen habe, bevor dieselben unter der ungeheuren Hitze der tropischen Zone trockengelegt waren.
    Sie sprach von John und seiner unüberwindlichen Energie, spielte aber gar nicht auf Godfrey an, so daß Zach Fren schon glaubte, daß sie anderen Sinnes geworden sei, als sie plötzlich sagte:
    »Ich habe heute den jungen Matrosen noch nicht gesehen… Haben Sie ihn gesehen, Zach?
    – Nein, erwiderte dieser enttäuscht.
    – Vielleicht könnte ich etwas für dieses Kind thun?«
    Sie wollte von dem Knaben in gleichgiltigem Tone sprechen, aber Zach durchblickte sie.
    »Für diesen Knaben? antwortete er. O, er hat eine ganz hübsche Stellung…. In einigen Jahren wird er Hochbootsmann sein…
    – Da liegt nichts daran! Er interessirt mich… in einem Punkte… Aber auch die Aehnlichkeit, ja!… Diese auffallende Aehnlichkeit zwischen John und ihm… Und dann würde Wat… jetzt gerade so alt sein!«
    Bei diesen Worten wurde Dolly bleich; ihre Stimme erzitterte und ihr Blick ruhte so fragend auf Zach Fren, daß dieser die Augen niederschlug.
    Dann fuhr sie fort:
    »Sie werden mir ihn am Nachmittag vorstellen, Zach… Vergessen Sie es nicht… Ich will mit ihm sprechen… Wir schiffen uns morgen aus… Wir werden ihn nie

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