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Mit 50 hat man noch Träume

Mit 50 hat man noch Träume

Titel: Mit 50 hat man noch Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Zuschauern auf der Tribüne zu der Reihe durchschlängelte,
wo die anderen schon auf sie warteten, stöhnte sie unwillkürlich unter der Hitze.
Das Stadion war gut besucht.
     
    Wang Ai war nervös. Sie atmete schwer
und registrierte, wie der Schweiß in Strömen ihren Körper hinunterrann. In den letzten
Tagen hatte sie nahezu ununterbrochen trainiert, und so verließ sie sich nun darauf,
dass ihr Körper inzwischen gelernt hatte, mit der Hitze zu leben. Ihr Ehrgeiz, der
sie vorantrieb und sie unermüdlich auf ihren kurzen, stämmigen Beinen über den Platz
rennen ließ, bildete die Basis für die Zukunft ihrer Familie, das wusste sie, und
so hatte sie sich ihr Ziel gesteckt: Sie würde der ›Eintracht Neuenahr‹ und damit
dem ganzen Ahrtal zeigen, dass den beiden nichts Besseres widerfahren konnte, als
sie, Wang Ai aus Shanghai, Spielerin der chinesischen Nationalmannschaft, für den
hiesigen Kader zu gewinnen. Sie würde den Einheimischen schon demonstrieren, wofür
Chinesen gut waren.
    Nach dem
Gespräch mit Mei Ling hatte sie sich einen ganzen Tag lang in ihr Zimmer zurückgezogen
und nachgedacht, und als sie am nächsten Morgen zum Frühstück heruntergekommen war,
hatte sie mit ernster Miene verkündet, dass sie zum Testspiel antreten würde. »Ich
mache es«, hatte sie gesagt, »aber unabhängig davon, ob der Verein mich will oder
nicht, werde ich nach dem Spiel meine eigene Entscheidung treffen.«
    Wang San
hatte ihr zugelächelt. »Ich bin froh, dass du nicht absagst. Wir demonstrieren den
Leuten damit, dass wir uns von den Vorkommnissen nicht einschüchtern lassen. Wir
zeigen ihnen, wie stark wir sind.«
    »Wie stark
Wang Ai ist«, hatte seine Schwester ihn korrigiert.
     
    Jetzt saßen Mei Ling, ihr Bruder,
Christine Schäfer samt Mann sowie Bea und Johannes zusammen auf der Tribüne und
verfolgten gespannt das Spiel. Bea dachte kurz an Caro, die ihr die Karte überlassen
hatte, und dankte ihr insgeheim noch einmal für ihre Selbstlosigkeit. Sie hatte
gewusst, dass es für Bea die Gelegenheit war, Johannes wiederzusehen, und
obwohl sie selbst gern auf der Tribüne gesessen hätte, hatte sie ihr kurzerhand
die Karte zugesteckt. Bea wurde warm ums Herz.
    Nach der
ersten Halbzeit stand es 1:0 für die B-Mannschaft, und Wang Ai, die als Stürmerspitze
eingesetzt war, hatte bislang keine der wenigen Chancen nutzen können, die sich
im Verlauf des Spiels für die ›Eintracht Neuenahr‹ ergeben hatten.
    »Die Jungen
sind einfach zu stark«, sagte Christine Schäfer resigniert in der Pause und biss
frustriert in eine Bockwurst, auf die sie reichlich Senf gestrichen hatte.
    »Körperlich
weit überlegen«, stimmte ihr Mann ihr zu.
    Christine
Schäfer schüttelte sich, hatte die Wurst aber schon fast vertilgt. Angewidert verzog
sie das Gesicht. »Lecker ist das nicht.«
    »Warum isst
du es dann?«, fragte ihr Mann.
    »Gibt ja
nichts Besseres, und ich komme um vor Hunger.«
    »Wenn die
Mädels ihre Taktik nicht bald ändern, passiert da nichts mehr«, prophezeite ihr
Angetrauter und sagte: »Sie sind im Abschuss zu ungenau, außerdem müssten sie aggressiver
spielen. Vor allem Wang Ai spielt extrem defensiv.«
    Mei Ling
und Wang San, die sich bislang nicht wesentlich am Gespräch beteiligt hatten, nickten
und fixierten mit ihren Augen den staubigen Boden.
    »Ich verstehe
es einfach nicht«, sagte Mei Ling schließlich und hob den Kopf. »Sie hatte doch
so viel Biss.«
    »Irgendetwas
bremst sie. Vielleicht die Tatsache, dass alle Welt auf sie schaut und von ihr erwartet,
dass sie mindestens ein Tor schießt«, vermutete Wang San.
    Christine
Schäfer nickte zustimmend und erwiderte knapp: »Psychologischer Hemmschuh.«
    »Vielleicht
ist es auch die Hitze«, beschwichtigte Johannes Frier und nahm das Stück Kuchen
entgegen, das Bea ihm reichte. Sie hatte es an einer der Catering-Buden gekauft.
    »Glaube
ich nicht.« Mei Ling schüttelte den Kopf. »Nein, es ist bestimmt der Druck, unter
dem sie steht. Der blockiert sie.«
    »Wartet
doch mal ab«, sagte Bea genervt und fügte hinzu: »Was nicht ist, kann ja noch werden.«
     
    Christine Schäfer sprang auf. In
der sechsundsechzigsten Minute hatte eine Spielerin der ›Eintracht‹ den Ball gegen
den Torpfosten geschossen. Er prallte ab, und Wang Ai, die sofort zur Stelle war,
köpfte ihn am Torwart vorbei in die rechte Torecke.
    »Tor!« Die
Freunde auf der Tribüne klatschten. »Sie hat es geschafft!«
    Das laute
Geräusch von Tröten erfüllte die Luft.
    Mei

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