Mit anderen Augen (German Edition)
Äußerlichkeiten. Ich wette mein letztes Messer, dass er als Kind und Schüler anziehen musste, was seine Eltern von ihm erwarteten, und dass ihm das mächtig gegen den Strich gegangen ist, hat er mir gerade deutlich gezeigt.
„Du kannst sie selbst aussuchen.“
„Was?“, fragt er leise und dreht den Kopf etwas in meine Richtung.
„Turnschuhe halten einen starken Winter in Montana nicht aus. Du brauchst wetterfeste Schuhe, Jannik. Mir ist vollkommen egal, wie sie aussehen, Hauptsache die Schuhe sind für Schnee geeignet, denn von dem werden wir in Montana jede Menge haben.“
Er seufzt leise und lässt den Kopf hängen. „Es tut mir leid. Ich habe überreagiert.“
„Offensichtlich.“
„Herrgott nochmal“, flucht Jannik und dreht sich wütend zu mir um. „Kannst du nicht einfach sagen, Entschuldigung angenommen?“
„Entschuldigung angenommen.“
„Toll.“
Sein böser Blick reizt mich zum Lachen, aber ich kann mich gerade so beherrschen.
„Dann gehen wir halt Schuhe kaufen.“ Jannik sieht sich suchend um. „Welcher Laden?“
Ich zucke die Schultern. „Ist mir egal.“
Jannik sieht mich an und verdreht genervt die Augen. „Sieh dich mal um. Auf der anderen Straßenseite sehe ich von hier aus drei Geschäfte, von denen zwei Boutiquen sind. Du weißt genau, dass ich keinen Cent von meinem Konto holen kann, ohne dabei aufzufallen. Also sag' mir ein Limit, wenn du schon alles bezahlst.“
Eine Familie mit drei kleinen Kindern, die alle lauthals nach Süßem verlangen, spaziert an uns vorbei. Wir sollten den Standort wechseln. Langsam füllt sich die Einkaufsstraße mit Menschen und zwei Männer vor einem Blumengeschäft fallen auf. Vor allem, wenn sie dort seit fast zehn Minuten herumstehen und diskutieren.
„Fünfhundert Dollar“, sage ich zu Jannik und setze mich langsam in Richtung Straße in Bewegung, obwohl ich keine Ahnung habe, ob das nun viel oder wenig Geld ist. Ich weiß nur, dass ich insgesamt noch ein paar tausend Dollar in der Tasche habe, also sind fünfhundert für ein Paar guter Schuhe definitiv drin.
Jannik schnappt hinter mir nach Luft. „Fünfhundert Dollar? Für ein Paar Schuhe? Bist du irre?“
„Du wolltest ein Limit, das ist es.“
Jannik verkneift sich jeden Kommentar dazu und überholt mich mit schnellen Schritten. „Schön. Von mir aus“, schimpft er dabei vor sich hin. „Fünfhundert Dollar für blöde Winterschuhe, der Mann hat sie nicht mehr alle.“
Er bemerkt mein Grinsen nicht, als eine alte Dame an der Ampel ihn verwundert ansieht und dann etwas über 'die Jugend von heute' in sich hineinmurmelt.
„Du hast keine Ahnung, was Schuhe kosten, oder?“, fragt Jannik eine halbe Stunde später in meine Überlegung hinein, ob ich die Boots oder lieber die Stiefel nehmen soll.
„Nein“, gebe ich ehrlich zu, denn es interessiert mich einfach nicht.
Kleidung und Nahrung sind Dinge, die ich brauche, also werden sie gekauft. Wenn Jannik mich fragen würde, was ein gutes Messer kostet oder eine Waffe, ich könnte ihm sofort eine ganze Reihe von Anbietern und die dazugehörigen Preise nennen, die er investieren müsste, um Top-Qualität zu bekommen. Das sind meine Prioritäten, alles andere läuft nebenbei und wird nicht sonderlich beachtet.
„Warum nicht? Du weißt doch sonst auch alles.“
„Ich weiß nicht alles“, widerspreche ich, den Blick auf die schwarzen Boots gerichtet. Sie sind gefüttert und knöchelhoch, dazu kommt eine dicke Profilsohle, genau das Richtige für einen Winter mit viel Schnee. „Solche Dinge sind mir einfach nicht wichtig.“
„Nicht wichtig?“, hakt Jannik interessiert nach und ich beschließe, die Boots anzuprobieren, bevor ich mich entscheide.
„Nein.“
„Du bist ein wandelndes Rätsel“, sagt er und steht auf, um in seinen neuen Schuhen einige Schritte zu gehen. „Die passen.“
Als wir aus dem Laden kommen, hat Jannik zwei volle Tüten in der Hand und ich drei. Er wollte den Wintermantel nicht haben, der mir auf dem Weg zur Tür aufgefallen ist, aber ich habe darauf bestanden. Als Strafe, wie Jannik es nannte, musste ich mir dann ebenfalls einen zulegen, weil er sich nicht davon abbringen ließ. In den Abteilungen für Oberbekleidung und Hosen waren wir danach auch noch und das Ende dieser Einkaufsorgie halten wir jetzt in unseren Händen. Damit wäre das Thema Einkaufen für den Winter definitiv vom Tisch.
„Thermounterwäsche, ich fass' es nicht“, murmelt Jannik und grinst. „Ich verwette
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