Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit anderen Augen (German Edition)

Mit anderen Augen (German Edition)

Titel: Mit anderen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Kroll
Vom Netzwerk:
wird zu schießen. Mit Selbstverteidigung werde ich mehr Glück haben, wenn es mir gelingt, ihm ein wenig Kondition anzutrainieren. Die Waffe lasse ich ihm trotzdem, solange er es von sich aus versuchen will. So bekommt er wenigstens ein Gefühl dafür und weiß, wie man sie im Notfall benutzt.
    Ein Schuss, ein Knall und wieder steht er mit geschlossenen Augen da. Es ist herrlich. Hätte ich eine Kamera, würde ich ihn fotografieren, das Bild wäre es wert, und wenn er nicht auf Männer stünde, könnte er es später seinen Enkeln zeigen.
    „So wird das nichts“, stellt Jannik fest und sieht mich tadelnd an, als wäre ich daran Schuld, dass er kein Talent für Waffen hat.
    „Auch schon gemerkt?“ Ich nehme ihm die Beretta ab und platziere vier saubere Löcher in die schwarze Mitte der Scheibe.
    Jannik sieht mich finster an. „Angeber.“
    „Könner“, kontere ich feixend und sichere die Waffe. „Genug gespielt für heute. Wir müssen reden.“
    Sein Misstrauen ist fast mit Händen greifbar, was mich schmunzeln lässt. Ich habe eine Weile überlegt, wie ich ihm das Ganze am besten schmackhaft mache, aber der direkte Weg ist in meinen Augen immer der Beste und egal wie ich es ihm sage, er wird eh protestieren. So gut kenne ich Jannik mittlerweile.
    „Du musst Selbstverteidigung lernen.“
    „Ich dachte, das machen wir hier gerade“, sagt er und deutet einmal quer über den Schießplatz am anderen Ende der Stadt, zu dem wir auf Empfehlung des jungen Paares hin nach dem Frühstück gefahren sind.
    Ich schüttle den Kopf. „Ohne Waffen. Ich rede von Kampfsport.“
    Jannik bleibt der Mund offenstehen. „Äh...“
    „Aber solange du so wenig Kondition hast, bringt das nichts.“
    Jetzt weiß er, worauf ich hinaus will. „Oh nein.“
    „Oh doch“, korrigiere ich ihn gnadenlos und deute Jannik an, mir zum Wagen zu folgen, der im Übrigen mir gehört.
    So praktisch ein Mietwagen auch ist, über den Winter brauchen wir ein eigenes Auto, also habe ich uns vor zwei Tagen in Columbia Falls, einem kleinen Ort ein paar Meilen östlich von Whitefish, einem alten Ehepaar ihren gebrauchten Geländewagen abgekauft. Mehr brauchen wir nicht.
    „Ab morgen früh gehen wir joggen und ich bringe dir ein paar Tricks bei. Diese Stadt ist klein und im Moment noch ziemlich verschlafen. Uns kennt hier kein Schwein. Wir mieten eines der Blockhäuser für Touristen und bleiben über den Winter, sofern wir nicht aufgespürt werden. Um uns herum sind hunderte von Meilen Land, Berge und Wälder. Genug Platz, um unterzutauchen.“
    „In die Wälder? Im Winter? Bei Schnee? Bist du verrückt?“, fragt er ungläubig und das wundert mich nicht.
    „Es gibt weitaus Schlimmeres als Kälte und Schnee, Jannik. Tot sein, zum Beispiel. Außerdem ist die Gegend hier ein beliebtes Ski-Gebiet, was heißt, im Winter fallen wir unter den ganzen Touristen nicht auf.“
    „Aber...“
    „Ich habe vorhin zwei Leute an der Tankstelle belauscht, wo wir auf dem Weg hierher gehalten hatten“, unterbreche ihn Janniks Einspruch. „Sie halten uns für eines dieser modernen Männerpärchen und sind neugierig, was wir hier wollen. Also wird das unsere Tarnung.“ Jannik lacht unterdrückt und ich sehe ihn fragend an. „Was ist?“
    „Du und ich? Ein Pärchen?“, feixt er und grinst mich an.
    „Ja. Was dagegen?“, will ich irritiert wissen, weil ich nicht verstehe, was er daran so lustig findet. Jannik schüttelt den Kopf, sein Grinsen wird aber immer breiter, weshalb ich schließlich stehenbleibe und ihn ansehe. „Raus damit. Was ist so amüsant?“
    „Dir ist bewusst, dass Pärchen Händchen halten, sich küssen oder was auch immer?“
    Ich nicke. Verstehe immer noch nicht, wo sein Problem ist. „Und?“
    „Und du willst, dass wir beide in diesem niedlichen, verschlafenen Örtchen mitten in der Einöde von Montana, wo ich wahrscheinlich der einzig echte Schwule bin, knutschend auf dem Gehweg stehen?“
    Mir dämmert, was er meint und ich kann nicht verhindern, dass ich rot werde, was Jannik loslachen lässt. So ein kleiner Mistkerl. Na egal, ich habe es ja selbst herausgefordert. Andererseits, ich töte Menschen. Ein Kuss mit einem Kerl bringt mich also kaum um, auch wenn ich die Vorstellung nicht sonderlich anregend finde. Ganz im Gegenteil, aber dafür kann Jannik nichts.
    Ich zucke die Schultern. „Auf dem Gehweg sollten wir uns vielleicht lieber zurückhalten, aber ansonsten spielen wir das perfekte Paar.“
    Jannik hebt nachgebend die

Weitere Kostenlose Bücher