Mit Arabella fing alles an
wurde. Meine triumphale Rückkehr nach Hause wurde allerdings etwas getrübt, als Nicholas Paul ins Auto sah und lautstark verkündete: »Heute hat er einen Hahn gekauft!« Er sagte das auf eine Art, als wären alle ständig über die Ungereimtheit meiner Einkäufe äußerst erstaunt.
In Wirklichkeit hatte ich mir ursprünglich vorgestellt, Chanticleer auf einer Platte, knusprig braun mit Salbei und Zwiebeln sowie den entsprechenden Gemüsebeilagen serviert zu sehen. Für zwanzig Pence war er wirklich besonders billig gewesen.
Erstanden hatte ich ihn auf der Auflösungsauktion eines Bauernhofes, hoch am Berg, der an der uns abgewandten Seite lag. Der Eigentümer zog in eine nahegelegene Stadt Mittelenglands, weil er dort einen manuellen Job bei der Gemeinde angenommen hatte. Er war ein fröhlicher Mann irrit rotem Gesicht, dort geboren und aufgewachsen. Den Hof hatte er von seinem Vater vor etwa fünf Jahren geerbt.
Der Hof war etwa sechzehn Hektar groß, aber sein Boden schlecht und unergiebig. An dem dürftigen Graswuchs Wurde das deutlich. Sogar für einen Mann seines Schlages, der in Genügsamkeit und harter Arbeit aufgewachsen war, hatte der Boden wenig zu bieten. Doch wenn man den sorgfältig gepflegten Garten und das schmucke, weiß getünchte Häuschen ansah, von dem aus man einen herrlichen Ausblick hatte, schien es trotz der erschwerenden Bedingungen ein entmutigender Sprung zu sein, von hier in die Anonymität einer Industriestadt zu ziehen.
Hauptsächlich hatte die Familie von einer großen Hühnerherde gelebt. Zu je zwanzig Stück wurden jetzt etwa hundert angeboten und im Handumdrehen verkauft. Aber als dann Chanticleer dran war, stoppte der Verkauf. Niemand wollte ihn haben. Bauernfrauen kauften Hühner, denn sie bewerteten sie als eierlegende Einheiten. Hähne hatten sie bereits in der eigenen Herde, daher benötigten sie nicht noch einen.
Er war tatsächlich ein hübscher Vogel, der noch viel von einem Kampfhahn zeigte: Er war weiß mit schwarzen Streifen, hatte glänzende Augen, stolz geschwungene Schwanzfedern und einen herausfordernden Kamm auf dem Kopf.
»Guter Zuchthahn«, meinte der Auktionator. »Was gebt Ihr mir dafür?«
Nichts. Tiefes Schweigen.
»Na, los«, fuhr er in einem leicht verärgerten Ton fort. »Ein so guter Vogel wie dieser ist ein paar Shillinge wert, oder?« Keine Reaktion. »Pence?«
Ein Mann mit breiten Schultern sagte: »Fünf Pence.«
Es war ganz einfach lächerlich. Ich sah in meinem Geist plötzlich ein Brathähnchen. »Zehn Pence.«
»Fünfzehn.«
»Zwanzig«, kam es mit Bestimmtheit von mir. Mein Rivale wußte, daß er geschlagen war. Er ging weg. Der Vogel wurde mir daraufhin vom Auktionator zugesprochen.
Eine üppige Frau sagte zu mir ermutigend: »Für den Kochtopf ist er das wert.«
»Genau das hatte ich auch vor«, erwiderte ich. »Man kann nicht alle Tage ein Hähnchen für zwanzig Pence kaufen.«
Howard kam grinsend auf mich zu: »Hier ist der letzte der großen Verschwender...«
Als Antwort warf ich ihm eine Grobheit an den Kopf, und wir schlenderten gemeinsam zum nächsten Auktionsobjekt.
Abgesehen von einem Versuch, seinem neuen Besitzer einen Brocken Fleisch herauszuhacken, war Chanticleer recht friedlich. Mit einem Seil um seine Beine gewickelt, lag er auf dem Boden hinter dem Sitz des Fahrers und bewegte sich kaum, bis wir zu Hause ankamen. Als ich ihn hervorgeholt hatte, um ihn der Familie zu zeigen, fing er wild mit den Flügeln an zu schlagen und bog seinen Hals zu einem eindrucksvollen >U<, um sie in Augenschein zu nehmen.
»Ganz schön was dran«, sagte ich. »Gibt eine gute Mahlzeit...«
Ein Aufschrei von den Kindern: »Aber, das ist doch Chanticleer! Man kann doch Chanticleer nicht essen!«
Ich konnte und ich wollte. John auch. Aber wir waren in der Minderheit.
Es stellte sich heraus, daß der Hahn — zu seiner Rettung - genauso aussah wie der gefiederte Held in einer Kindergeschichte. Und zu seiner noch sichereren Rettung hatten sie gerade dieses Buch geschenkt bekommen und die Bilder darin noch ganz frisch in ihrem Gedächtnis behalten.
Shirley war in einer Zwickmühle: entweder konnte sie die gute Fee spielen, die Chanticleer vor dem Kochtopf rettete, oder aber sie unterstützte ihren Ehemann, damit man ihn nicht als herzloses Ungeheuer hinstellte. Sie entschied sich für das erstere. Die Tiefkühltruhe war sowieso noch voll. »Du willst ihn essen?« fragte sie entrüstet. »Wie kommst du nur auf diese Idee? Er kann zu den
Weitere Kostenlose Bücher