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Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge

Titel: Mit Blick aufs Meer - Mit Blick aufs Meer - Olive Kitteridge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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baumgesäumten Kurven entlang in die Stadt fuhr, wurde es draußen nur langsam heller. Ein Morgen war wie der andere: erst die lange Autofahrt, dann der Halt bei Dunkin’ Donuts, wo die philippinische Kellnerin ihr immer schon von selbst eine extra Portion Milch in den Kaffee gab, und dann nahm Olive die Zeitung und ihre Tüte mit Doughnut-Bällchen (drei, sagte sie immer, aber das Mädchen tat jedes Mal noch ein paar dazu) mit ins Auto und saß dort und las und verfütterte ein, zwei Doughnut-Bällchen an den Hund auf dem Rücksitz. Gegen sechs war es ihr schließlich hell genug, um ihren Marsch am Fluss zu beginnen - nicht, dass sie je davon gehört hätte, dass auf dem Asphaltweg etwas passiert war. So früh waren fast nur alte Leute unterwegs, und man konnte eine gute Meile gehen, ehe man überhaupt jemanden traf.
    Olive parkte auf dem Kiesplatz, holte ihre Turnschuhe aus dem Kofferraum, band sie und zog los. Es war der beste - und einzig erträgliche - Teil ihres Tages. Drei Meilen hin, drei Meilen zurück. Ihre einzige Sorge war, dass die regelmäßige Bewegung ihr Leben verlängern könnte. Lass es schnell gehen, dachte sie jetzt, das Sterben, meinte sie - ein Gedanke, den sie täglich mehrmals hatte.
     
    Sie blinzelte. Auf dem Weg, nur ein Stück vor der Steinbank, die die erste Meile markierte, lag eine zusammengesackte Gestalt. Olive blieb stehen. Es war ein alter Mann, so viel konnte sie sehen, als sie zaghaft näher heranging: dünnes
Haar, dicker Bauch. Gott im Himmel. Sie ging schneller. Jack Kennison lag auf der Seite, die Knie angewinkelt, fast als hätte er sich zu einem Nickerchen hingelegt. Sie beugte sich vor und sah, dass seine Augen offenstanden. Es waren sehr blaue Augen. »Sind Sie tot?«, fragte sie laut.
    Die Augen bewegten sich, blickten in ihre. »Eher nicht«, sagte er.
    Sie sah auf seine Brust, den prallen Bauch, der unter der L. L. Bean-Jacke hervorquoll. Dann schaute sie den Weg entlang, beide Richtungen. Kein Mensch zu sehen. »Sind Sie niedergestochen worden? Angeschossen?« Sie beugte sich dichter zu ihm herab.
    »Nein«, sagte er. Dann: »So viel ich weiß.«
    »Können Sie sich bewegen?«
    »Weiß nicht. Hab’s nicht versucht.« Sein Bauch immerhin bewegte sich, er hob und senkte sich langsam.
    »Na, dann probieren Sie’s.« Sie stupste mit ihrem Turnschuh gegen seinen schwarzen Wanderschuh. »Versuchen Sie, das Bein da zu bewegen.«
    Das Bein bewegte sich.
    »Gut«, sagte Olive. »Jetzt den Arm.«
    Langsam schob sein Arm sich auf seinen Bauch.
    »Ich hab keins von diesen Mobildingern«, sagte Olive. »Mein Sohn sagt immer, er besorgt mir eins, aber noch hat er’s nicht getan. Ich geh zurück zum Auto und schaue, dass ich zu einem Telefon komme.«
    »Nicht«, sagte Jack Kennison. »Lassen Sie mich nicht allein.«
    Olive stand unschlüssig da. Es war eine Meile bis zu ihrem Auto. Sie sah auf ihn hinab, wie er dort lag und sie mit seinen blauen Augen fixierte. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann brauchen Sie einen Arzt.«

    »Meinetwegen.«
    »Ich heiße übrigens Olive Kitteridge. Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Wenn Sie nicht aufstehen können, sollte ich auf alle Fälle einen Arzt für Sie auftreiben. Ich persönlich kann Ärzte ja nicht ausstehen. Aber Sie dürfen nicht einfach hier liegen bleiben«, sagte sie. »Sie könnten sterben.«
    »Mir egal«, sagte er. In seinen Augen erschien die Spur eines Lächelns.
    »Was?«, fragte Olive laut und bückte sich tiefer.
    »Es ist mir egal, ob ich sterbe«, sagte der Mann. »Solange Sie mich hier nicht allein lassen.«
    Olive setzte sich auf die Bank. Der Fluss floss träge, er schien sich kaum zu bewegen. Sie bückte sich wieder zu ihm. »Ist Ihnen kalt?«, fragte sie.
    »Nicht besonders.«
    »Es ist frisch heute.« Nun da sie saß, fror sie selber ein bisschen. »Tut Ihnen was weh?«
    »Nein.«
    »Meinen Sie, es könnte das Herz sein?«
    »Keine Ahnung.« Er fing an, sich hochzustemmen. Olive stand auf und schob ihm die Hand unter den Arm, auch wenn er so schwer war, dass sie kaum etwas ausrichten konnte. Aber mit viel Mühe schaffte er es schließlich, sich aufzurappeln, und hievte sich auf die Bank.
    »Gut«, sagte Olive. »So ist es schon besser. Jetzt warten wir, dass jemand mit einem Telefon vorbeikommt.« Worauf sie hinzufügte: »Mir ist es auch gleich, ob ich sterbe. Ich wünsche es mir sogar. Nur schnell sollte es gehen.«
    Er drehte ihr seinen spärlich behaarten

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