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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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den konnte er nicht mehr fragen. Schlösser hatte er noch nicht gefunden, vielleicht wusste Zakowski, wo der wohnte.
    Stachelmann trank einen Schluck Tee, der war nur noch lauwarm. Für den Mord an Griesbach gab es drei gleich plausible Motive. Erstens ein Fluchthelfer, der Griesbach verdächtigte, ein Spitzel gewesen zu sein und ihn ins Gefängnis gebracht zu haben. Zweitens ein Spitzel unter den Fluchthelfern, Griesbach entlarvt ihn, der Spitzel tötet Griesbach. Drittens, ein Flüchtling, der verhaftet worden war, hält Griesbach für den Verräter und rächt sich. Aber es konnte alles anders sein, Motive waren denkbar, die nichts zu tun hatten mit Fluchthelfern. Dazu müsste er Ines fragen. Aber Ines wollte er nicht noch einmal besuchen. Er würde unnötig die Auflage verletzen. Doch wenn die Recherche in der Fluchthelferszene nichts ergab, würde er es tun müssen.
    Am Abend versuchte er sich auf sein Seminar vorzubereiten. Es fiel ihm schwer, die Seminararbeit zu lesen, über die diskutiert werden sollte. Er konnte sich nicht an das Gesicht der Studentin erinnern, die die Arbeit abgegeben hatte. Sie war schlecht formuliert und aus Sekundärliteratur zusammengeklittert. Stachelmann mühte sich, das Geschreibsel zu Ende zu lesen, und fragte sich, warum manche Leute Geschichte studierten, wenn sie sich nicht dafür interessierten. Sie saßen in Seminaren oder Vorlesungen und langweilten sich. Stachelmann nahm sich vor, sich im Seminar zurückzuhalten, der Streit mit Hartmann reichte.
    Er packte das Referat in seine Aktentasche und rief Oppum an. Diesmal war niemand da, also sprach er auf den Anrufbeantworter, er fahre am Mittwoch nach Beeskow in Brandenburg, sei am Abend aber wieder zu Hause.
    »Falls die Polizei mich verhaften will.« Er legte auf und entschied sich für einen Bummel. Als er in die Nähe des Ali Baba kam, bemerkte er seinen Hunger. Er ging in die Kneipe und setzte sich an den Tisch neben der Küchentür. Er hörte es klappern und zischen. Die meisten Tische waren besetzt. Er war der Einzige, der allein an einem Tisch saß. Er musste wieder daran denken, wie er mit Anne hier gewesen war. Er versuchte sich klar zu machen, wie es nun stand mit ihrer Beziehung. Den Tiefpunkt hatten sie hinter sich gebracht, aber was nun? Sie zog ihn an, aber alles blieb unverbindlich. Das liegt an dir, vielleicht auch daran, dass es so richtig ist. Aber er wollte nicht, dass es unverbindlich blieb. Er bildete sich ein, dass sie ihm Signale schickte, Aufforderungen, aber er war sich nicht sicher. Ein Missverständnis konnte alles zunichte machen. Er wollte sich nicht aufdrängen. Er war gespannt, wie es morgen sein würde.
    Als der Kellner an seinem Tisch stand, bestellte er ein Reisgericht und einen Rotwein. Der Kellner ging, und Stachelmann betrachtete die jungen Leute an den anderen Tischen. Sie schienen ihm unbeschwert zu sein, er fragte sich, warum er zum zweiten Mal in einen Kriminalfall verstrickt wurde, obwohl er doch nur seine Habilitation abschließen wollte, um das letzte große Hindernis wegzuräumen auf dem Weg zur Professur. Du bist schon zu alt, dachte er. Denk an Griesbach, der hatte es viel früher geschafft. Wäre er nicht ermordet worden, dann hätte er dich verdrängt. Du bist der Gewinner in diesem Mordfall, wenn sie dich nicht auf die Anklagebank setzen und verurteilen. Aber nur bis Bohming einen neuen Favoriten fand und ihn überredete, nach Hamburg zu wechseln. Nichts verstand der Sagenhafte besser, als andere zu überzeugen, etwas zu tun, was zuerst Bohming nutzte.
    Der Kellner brachte den Wein. Stachelmann trank einen Schluck. Am Nachbartisch wurde getuschelt, dann trafen ihn verstohlene Blicke. Ob die wussten, dass er des Mordes verdächtigt wurde? Er wunderte sich, dass es ihn kalt ließ. Sollen sie glotzen.
    Der Kellner brachte das Essen. Stachelmann aß hastig. Das Tuscheln am Nebentisch hatte aufgehört, niemand schien ihn mehr zu beachten. Wieder begann er das Wirrwarr in seinem Kopf zu ordnen. Er ging die Personen und ihre Beziehungen zueinander durch, aber es war am Ende so unklar wie am Anfang. Er winkte dem Kellner und legte seine Geldbörse auf den Tisch. Aber der Kellner kam nicht. Da fiel ihm ein, es war besser, zur Kasse am Tresen zu gehen. Er stand auf und stellte sich an den Tresen. Eine junge Frau saß dort, sie rührte mit einem Holzstab in einem Glas mit einem roten Getränk. Sie schaute zu ihm, ihre Augen begegneten sich. Sie war hübsch und traurig.
    Zurück in seiner

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