Mit Blindheit Geschlagen
es wohl genauso. Unter uns gab es keinen, der nicht gerade von irgendeinem verdächtigt wurde. Es gab oft Streit, und im Hintergrund lauerte das Misstrauen. Aber niemals konnte jemand was Handfestes vorzeigen.«
»Dann haben Sie auch Griesbach verdächtigt.«
»Richtig. Den auch.«
»Wenn es einen Verräter gab, dann war es einer, der an all den Fluchtunternehmen beteiligt war, die scheiterten.«
»Richtig.«
»Und wer waren die?«
Zakowski lachte trocken. »Zuerst mal ich, ich war in fast allen diesen Fällen der Kurier. Nur nicht bei der Sache, bei der Willy hochging.«
»Das waren die Kramers, die in Helmstedt erwischt wurden.«
»Richtig.« Er musterte Stachelmann, der sah in dem Blick Anerkennung.
»Aber von der Sache konnte ich was wissen. Die hatten nämlich erst mich gefragt, ob ich den Kurier mache. Aber ich konnte nicht, meine Frau kriegte gerade ihr erstes Kind, da hab ich gekniffen. Hätte ich es nicht getan, hätten sie mich geschnappt. Aber theoretisch, klar, hätte ich auch Willy verpfeifen können. Ich bin also der Verdächtige Nummer eins.«
»Und wer ist Nummer zwei?«
»Nummer zwo ist Kamerad Wolle. Der kannte alle Unternehmen, hat sich als der Macker aufgespielt. Und er hatte den Draht zu dem Dreilich. Wenn eine Aktion losging, dann marschierte Wolle zu Dreilich und sagte, ich brauche soundsoviele Pässe.«
»Und Kandidat Nummer drei?«
»Dreilich, wie gesagt. Und Nummer vier war Henry. Der war neben Wolle der Aktivste. Das bedeutete, er hat überall mitgemischt.«
»Pawelczyk?«
»Nee, der hatte immer mal wieder Pausen, hat sich vom Akker gemacht, war sowieso unzuverlässig. Schlampige Type.«
»Noch einen?«
»Nee.«
»Ist nach der Verhaftung von Schlösser noch jemand hochgegangen?«
Zakowski starrte Stachelmann an. »Sie meinen …« Er dachte nach, kniff sich das Ohrläppchen. Dann pfiff er leise. »Das wäre ja Trick siebzehn.« Er stand auf und ging zum Fenster. Er drehte Stachelmann den Rücken zu.
»Warum bin ich da nicht selbst drauf gekommen?« Er pfiff wieder. »Nein, nach Schlössers Verhaftung ist keine Flucht mehr gescheitert. Viele waren es dann ja ohnehin nicht mehr.
Wann ist Schlösser verhaftet worden? Lass mich mal nachdenken. Im Sommer siebenundachtzig. Im Sommer neunundachtzig haben sie ihn freigekauft, kurz bevor der Spuk ein Ende hatte.« Er schniefte. »Das würde bedeuten, der hat gar nicht gesessen, sondern sich ein schönes Leben gemacht in der Zone, sofern das möglich war. Aber Wein, Weib und Gesang gab’s sogar dort.«
»Also ist Schlösser Nummer fünf.«
Zakowski nickte. »Trinken Sie einen mit?« Er stand auf und holte aus einem Schrank eine Flasche. Stachelmann winkte ab.
»Nein, danke, zu früh.«
Zakowski lachte und goss sich ein Wasserglas halb voll.
Ob er sich Mut antrinkt, dachte Stachelmann. Wenn ja, Mut für was?
»Und was ist mit dem Lithografen, der die Pässe gemacht hat?«
Zakowski nickte und trank das Glas aus. »An den habe ich früher auch schon mal gedacht. Schneider hieß der. Nur können wir ihn nicht mehr fragen, ist tot.«
»Damals lebte er noch, er wäre also Nummer sechs. Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, es habe zwei Spitzel gegeben in Ihrer Gruppe. Dann käme wohl jeder in Frage.«
Zakowski goss sich das Glas wieder halb voll. »Wirklich keinen?« Stachelmann schüttelte den Kopf. »Es ist ein Fass ohne Boden«, sagte Zakowski. »Vielleicht nicht ganz. Wie alt ist Schlösser heute?«
»Mitte sechzig etwa.«
»Hat er Ahnung von Computern?«
»Weiß nicht. Kann ich mir nicht recht vorstellen. Willy war geradeaus, aber ein bisschen einfältig. So einfältig, dass er nicht mal Angst hatte. Der kriegte keinen Schweißausbruch an der Grenze. Und dem hat keiner zugetraut, dass er Leute rausschleuste. Aber er war nicht einfältig genug, um nicht ein paar gute Ausreden in petto zu haben. Aber der und Computer? Eher nicht.«
»Konnte der Schlösser knacken?«
»Konnte Schlösser Schlösser knacken, klingt komisch, nicht? Natürlich nicht. Der hatte zwei linke Hände.
Warum fragen Sie das? Was hat das mit dem Mord an Wolle zu tun?«
»Ich habe mir eine Art Arbeitshypothese ausgedacht, gerade eben erst, obwohl ich deren Bestandteile schon länger kenne. Unser Gespräch hat mich weitergebracht. Ich habe die Puzzlesteine ein bisschen anders zusammengesetzt, so passt es auch. Es ist ein gemeines Spiel, bei normalen Puzzles passen die Steine ausschließlich in einer Lage, aber nicht bei dem, das wir gerade
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