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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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auf, gefeiert wurde nicht. Griesbach erfuhr nun Margaretes richtigen Namen, aber er nannte sie weiter Margarete. Daran hatte er sich gewöhnt. Bald fanden sie eine neue Wohnung in Spandau. Sie war ein bisschen zu teuer, aber das werde Heinz schon richten, sagte Margarete.
    Sonst änderte sich erst einmal nichts. Margarete hielt die Verbindung zu Heinz, ab und zu fuhr sie in den Osten. Griesbach studierte eifrig und lernte, seine Umgebung zu beobachten. Wenn in einem Seminar diskutiert wurde, hielt er sich zurück. Aber hin und wieder sagte er, er kenne sich aus mit dem Sozialismus, nicht zuletzt mit dessen Gefängniswesen. Wenn man diesen Sozialismus auch im Westen einführen wolle, dann gehörten die, die das heute forderten, morgen zu den Ersten, welche die Vorzüge des realsozialistischen Strafvollzugs genießen dürften. Revolutionen fräßen ihre Kinder.
    Sie verlachten ihn als Reaktionär. Der Sozialismus sei eine Übergangsgesellschaft, da seien Härten unvermeidlich. Sie seien der Preis des wahren Humanismus. Wer diese Dialektik nicht verstehe, sei gekauft vom Kapital oder wirr im Kopf oder beides.
    Er trat den Jusos bei und ordnete sich auf deren rechtem Flügel ein. Aber er war fleißig, redete nicht nur, sondern verteilte auch Flugblätter und schrieb Artikel für die Studentenzeitung der Jungsozialisten. Er unterstützte den Kurs der SPD, der auf einen Dialog mit der DDR gerichtet war. Er forderte, die DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Weil er überall mitmischte, saß er bald im Vorstand der Jusos. Er wusste, dass er nicht mehr lange warten musste, bis er es auch in den Landesvorstand schaffte.
    »Du musst dich mit der Geschichte der DDR beschäftigen. Die Genossen sagen, sie brauchen später welche, die in den Instituten sitzen, die sich mit der DDR und den anderen sozialistischen Ländern befassen. Dort hole sich die Bundesregierung Rat, und aus den Fragen der Bundesregierung könne man herauslesen, welche politischen Absichten sie verfolge.« Margarete war gerade aus dem Osten zurückgekommen, sie war gut gelaunt und optimistisch. »Heinz freut sich über deinen Studienfleiß und dein politisches Engagement.«
    Griesbach lag die Frage auf der Zunge, wie es Helga gehe. Aber er fragte nicht, er hatte schon lange nicht mehr gefragt. Helga war weit weg. Und er war verheiratet, er liebte Margarete und glaubte, Margarete liebe ihn auch. Seit einiger Zeit studierte sie auch an der FU Geschichte, und er war stolz, wenn er ihr helfen konnte, schließlich hatte er einige Semester Vorsprung. Doch ihr fehlte der wissenschaftliche Ehrgeiz. Sie tat, was sie tun musste, aber Begeisterung für das neue Fach zeigte sie nicht. Er spürte, sie tat es seinetwegen und auf Befehl. Manchmal grübelte er, warum die Genossen so viel Zeit, Mühe und Geld in ihn investierten. Er ahnte, er war nicht der Einzige, der aufgebaut wurde, um später an eine wichtige Stelle zu kommen.
    Der Professor vom Lehrstuhl für Neuere Geschichte hatte schon angedeutet, dass er Griesbach als Tutor einstellen wolle. Dieser Professor war Mitglied der Historischen Kommission beim Parteivorstand der SPD. Er erzählte es Margarete.
    »Prima«, sagte sie und setzte sich auf seinen Schoß.

17
    Zakowski lachte. »Einem Kumpel ist das auch schon mal passiert, allerdings mit einigen pfiffigen Varianten. Da hat dem zum Beispiel mal jemand reichlich was aus einem Versandhauskatalog bestellt. Oder den Mietvertrag gekündigt. Das war in den Achtzigern. Da gibt es die grobe Sorte und die feinere. Ich schätze, manchmal wird es gesteigert, und manchmal gibt’s die volle Ladung. Das hängt davon ab, wie die einen beurteilen. Ist man ein sensibles Kerlchen« – er schaute Stachelmann an –, »dann versucht man es mit ein paar Kleinigkeiten. Das senkt ja auch das Risiko, erwischt zu werden.«
    »Ja, und wer macht so was?« Stachelmann wurde zornig vor Ungeduld.
    »Das Ministerium für Staatssicherheit, wussten Sie das nicht?«
    Stachelmann schaute ihn ungläubig an. In den Knien stach es, und er bekam Angst. Aber dann sagte er sich, Zakowski ist verrückt. Das Ministerium für Staatssicherheit ist vor vierzehn Jahren aufgelöst worden, Mielke ist tot. »Das ist doch Unsinn!«, brach es aus ihm heraus. »Völliger Quatsch!«
    »Warum? Haben Sie nie gehört, dass die Stasi im Westen nicht nur spionierte, sondern auch zersetzte, mordete und entführte?«
    »Natürlich, aber doch in den fünfziger Jahren, Otto John zum Beispiel.«
    »Da irren Sie sich. Die

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