Mit Blindheit Geschlagen
weiterstudiert.«
»Kennen Sie Freunde von ihm?«
»Ich kenne nur Ines. Das war seine Frau. Die haben früh geheiratet.«
»War Ines in Fluchthilfeaktionen verwickelt?«
»Nein. Die hat sich rausgehalten. Sie hat zwei- oder dreimal an geselligen Treffen teilgenommen und schien Wolles Einstellung zu unterstützen. Jedenfalls hat sie ziemlich geschimpft auf die DDR.«
»Vielleicht habe ich bei meinen Recherchen zu kurz gegriffen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht hatte Griesbach Kontakt mit der Stasi, bevor er in den Westen kam. Und vielleicht ist dieser Kontakt der Grund dafür, dass er ermordet wurde.«
Zakowski schaute ihn ungläubig an. Er rührte in seiner Kaffeetasse. »Was soll damals geschehen sein, das einen Mord mindestens vierzehn Jahre später erklärt?«
Stachelmann zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich auch nicht. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich in Griesbachs Biografie die Zeiten finden muss, in denen er Kontakt mit der Stasi gehabt haben kann.«
»Bei der Stasi war der nicht«, sagte Zakowski. »Das hätte ich gemerkt. Ich habe eine Nase für Spitzel.«
»Er war wohl eher ein Opfer, aber auch das ist ein Kontakt. Kann sein, dass er etwas erfahren hat, das heute noch ehemaligen Stasi-Leuten Angst bereitet.«
»Schon eher«, sagte Zakowski. »Vielleicht hat er rausgekriegt, wer uns bespitzelt hat. Dass die Stasi uns ausspioniert hat, war mir schon damals klar. Es ist zu viel schief gegangen.«
»Stellen Sie sich vor, er hat entdeckt, wer Sie damals bespitzelt hat. Vielleicht hat er Akten aus der Birthler-Behörde bekommen, in denen Aufschlussreiches steht. Dann ist er nach Berlin gefahren und hat den Spitzel gestellt. Der Spitzel hat sich gewehrt und Griesbach umgebracht.« Da fiel Stachelmann ein, dass eine Tatsache nicht in diese Geschichte passte. »Aber warum hat er mir die Leiche in den Kofferraum gelegt?«
»Zufall«, sagte Zakowski.
»Wie viele Autos gibt es in Berlin? Ein paar hunderttausend, vielleicht eine Million. Und da soll der Mörder sich ausgerechnet meinen Kofferraum ausgesucht haben? Das glaube ich nicht.«
»Kommt darauf an, wo Sie waren.«
Stachelmann überlegte. »Ich war bei Pawelczyk, Wittstock und zum Schluss in diesem Schrebergarten.«
»In der Kleingartenkolonie, wie hieß die noch mal?«
»Weiß ich nicht mehr, Griesbach war da früher, der hatte ein Haus. Sonntagsfrieden, jetzt fällt es mir ein.«
»Richtig«, sagte Zakowski. »Da haben wir manchmal einen drauf gemacht. Und da waren Sie?«
»Ja.«
»Überlegen Sie mal, Griesbach verabredet sich mit dem Spitzel in der Laubenpieperkolonie, der Spitzel tötet ihn, und weil Ihr Auto gerade richtig steht und ein auswärtiges Kennzeichen hat, packt er Ihnen die Leiche in den Kofferraum. Das ist schon weniger Zufall.«
Draußen knatterte ein Zweitakter vorbei.
Ich habe es falsch gemacht, dachte Stachelmann. Vielleicht liegt die Ursache des Mordes weiter zurück, irgendwo in Griesbachs Biografie? Kann doch sein, dass mich diese Fluchthelfergeschichte vom wirklichen Grund ablenkt. Ich hätte mich gleich mit Griesbachs Biografie befassen sollen. Irgendwo gibt es eine Verbindung zwischen Griesbach und seinem Mörder. Und diese Verbindung kann ich finden, wenn ich Griesbachs Biografie besser kenne. »Kann sein«, sagte er. »Ich habe aber keine Zeit, abseitige Spuren zu verfolgen. Ich habe mich mit Griesbachs Leben als Fluchthelfer beschäftigt, aber was davor war, habe ich vernachlässigt. Vielleicht liegt da die Lösung des Rätsels.«
»Aber darüber müsste Ines Bescheid wissen«, sagte Zakowski. »Ich weiß nichts. Sie haben ja noch gar nichts gegessen.«
Stachelmann holte sein Handy aus der Jacketttasche. Er wählte Ines’ Nummer. Als sie abhob, hatte er ein komisches Gefühl. »Dein Mann hat doch an der Humboldt studiert, richtig?«
»Ja, Josef, wo bist du? Die Polizei sucht dich. Mich haben sie bös in die Mangel genommen. Behaupten, du wärst geflohen, und ich hätte dich unterstützt.«
»Nein, geflohen bin ich nicht. Ich bin gerade in Zehlendorf und komme heute Abend zurück nach Lübeck.«
Warum lüge ich, dachte er.
Zakowski schaute ihn mit großen Augen an.
»Was machst du denn in Zehlendorf?«
»Ist nicht so wichtig.«
»Aha«, sagte sie. Sie klang enttäuscht.
»Dein Mann war an der Humboldt?«
»Ja.«
»Wann?«
»Da muss ich überlegen. Ich glaube, ’81 und ’82. ’82 wurde er verhaftet. Er hat also nur eineinhalb Jahre studiert. Im November 1982 kam er nach
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