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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Westberlin.«
    »Hat er mal was erzählt von Freunden oder einer Freundin?«
    Sie schwieg.
    »Bist du noch dran?«
    »Lass mich nachdenken, das ist ja ewig her, und wir haben uns nicht oft über alte Zeiten unterhalten. Ja, von einer Freundin hat er mal was erzählt. Aber nicht viel. Vielleicht habe ich es auch vergessen.«
    »Und nach der Einheit, hat er da versucht, alte Kontakte wiederzubeleben?«
    »Nein.«
    »Das ist doch seltsam.«
    »Was ist daran seltsam?«
    »Mich hätte es wahnsinnig interessiert zu schauen, was aus den Leuten geworden ist, die ich früher kannte oder mit denen ich sogar befreundet war.«
    »Wolf hatte mit seiner DDR-Zeit abgeschlossen. Er wollte sich nur noch rächen, deshalb ist er Fluchthelfer geworden. Die piesacke ich da, wo es ihnen richtig wehtut, hat er gesagt.«
    »Tut mir Leid, dass du wegen mir Ärger mit der Polizei hast. Wenn es zu doll wird, dann ruf doch Ossi an.«
    »Ich werde es mir überlegen. Ruf mich doch ab und zu mal an. Ich würde so gerne wissen, wo du gerade bist. Ich habe ein bisschen Angst um dich. Ist albern, nicht?«
    Sie rührte ihn. »Mir passiert schon nichts.«
    »Aber du hast es mit einem Mörder zu tun.«
    »Wenn ich ihn finde, aber das ist fraglich.«
    »Und wenn du zur Polizei gehst, die werden dich nicht einsperren, da gibt es doch noch Ossi.«
    »Der kann mir da auch nicht helfen. Danke, in den Knast komme ich früh genug. Dir fällt wirklich niemand ein, der Wolf zu seiner DDR-Zeit kannte?«
    »Nein. Und wenn ich einen kennen würde, dann wäre es bestimmt nicht derjenige, der dir weiterhelfen kann. Du spielst Roulette, und ich wünsche mir, dass du verlierst. Dann bleibst du am Leben. Und alles andere stehst du durch.«
    Er legte auf.
    »Und jetzt fahren Sie zur Humboldt?«
    »Ja.«
    »Mir fällt auch nichts Besseres ein«, sagte Zakowski.
    »Und Sie rufen jetzt nicht die Polizei an.«
    »Wen? Kenne ich nicht. Außerdem weiß ich überhaupt nicht, was los ist. Wenn Sie mal eine Matratze brauchen, schauen Sie vorbei.«
    »Warum machen Sie das?«
    »Das wissen Sie nicht? Ich würde zu gerne wissen, welches Schwein Wolle auf dem Gewissen hat. Sie waren es nicht, sonst würden Sie nicht suchen. Wolle war nicht mein bester Freund, wirklich nicht, und als die Fluchtgeschichten erledigt waren, habe ich nichts mehr gehört von ihm. Aber damals war er das Herz und der Kopf unserer Gruppe. Der hatte einen solchen Hass auf die DDR, das können Sie sich nicht vorstellen. Der Hass hat ihm die Kraft gegeben, immer weiterzumachen, auch wenn mal was schief ging. Er plante immer neue Aktionen und trieb uns an.«
    Auf dem Weg nach Berlin fühlte er sich müde. Blattlose Bäume an Alleen, der Himmel lag grau auf dem Land. Auf den Äckern war niemand zu sehen. Es war, als würde es nie hell werden. Kleintropfiger Regen nieselte, die Straße war nass, an der Seite zu Matsch gewalztes Laub. Die Stimmung ergriff ihn. Er verstand, es war aussichtslos, was er versuchte. Es gab keine Rettung. Sein vorbestimmter Platz war die Anklagebank. Bedeutete das lebenslänglich? Mindestens fünfzehn Jahre. Fünfzehn Jahre zusammen mit Verbrechern. Was für einer war man, wenn man wieder rauskam?
    Vor ihm kroch ein Brauereilastwagen die Straße entlang. Seine Reifen wirbelten Schlamm auf Stachelmanns Windschutzscheibe. Er ließ sich zurückfallen, überholen konnte er hier nicht. Kreuze am Straßenrand standen für Menschen, die mehr gewagt hatten.
    Es war zum Verzweifeln. Jede Auskunft, die er bekam, mündete in neuen Fragen. Wenn er etwas erfuhr, wusste er weniger als zuvor. Er irrte im Nebel herum und wusste nicht einmal mehr, was er suchte. Welche Rolle spielte Ines? Wusste sie wirklich nichts? Oder verschwieg sie ihm etwas, weil sie Angst um ihn hatte? War sie verwickelt in den Mord? Du bist verrückt, und vor allem bis du Zeuge ihres Alibis. Als ihr Mann ermordet wurde, hast du mit ihr im Bett gelegen, in Wolf Griesbachs Bett. Und Ines drang auch nicht in seine Wohnung ein, um ihn zu terrorisieren. Sie machte sich Sorgen um ihn. Einen Augenblick schweiften seine Gedanken zu Anne. Noch eine Baustelle, dachte er. Dein Leben ist eine Baustelle. Anne war ihm nah und fern zugleich. Seit sie Felix hatte, nahm sie die Dinge lockerer. Sie war beneidenswert gelassen. Sie liebte ihren Sohn, und dann kam lange nichts.
    Der Laster bog ab, Stachelmann gab Gas. Er schaute in den Rückspiegel, niemand folgte ihm. Bohming hatte ihn suspendiert, die Polizei suchte ihn, und die Stasi, die es nicht

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