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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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öffnete sich die Tür, eine junge Frau kam herein, einen Aktenordner unter dem Arm.
    »Huch, haben Sie mich erschreckt.«
    »Tut mir Leid.«
    Die Frau setzte sich an den Schreibtisch. »Bitte.«
    »Gibt es eine Lehrkraft oder einen sonstigen Mitarbeiter, der schon vor der Wende hier arbeitete?«
    »Warum wollen Sie das wissen? Wer sind Sie?«
    »Entschuldigung, ich habe vergessen, mich vorzustellen.
    Dr. Stachelmann. Ich komme von der Universität Hamburg und arbeite an einer Habilitationsschrift über die Geschichte des DDR-Hochschulwesens. Ich bin gerade zufällig in Berlin und dachte, na ja, wissen Sie, ich habe nur eine unbedeutende Frage. Bevor ich jetzt hundert Akten wälze und die gesamte Sekundärliteratur durchsuche, dachte ich, hier gibt es bestimmt jemanden, der auf meine Frage eine Antwort weiß.«
    Sie blickte ihn lange an, als überlegte sie, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. »Also, ich habe damals nicht hier gearbeitet.« Sie war unschlüssig, steckte den Zeigefinger zwischen die Lippen. »Also, unser Dr. Kehrer kann Ihnen da bestimmt weiterhelfen. Ich weiß aber nicht, ob er da ist. Ich rufe ihn mal an.« Sie hob den Hörer ab und tippte eine kurze Nummer ein. »Ja, Herr Dr. Kehrer, hier ist ein Herr, der sucht jemanden, der ihm eine« – sie suchte nach dem Wort – »fachliche Frage beantworten kann. Ob Sie vielleicht bereit sind, den Herrn zu empfangen?« Sie hörte zu. Dann schaute sie Stachelmann an. »Ihr Name war noch mal?«
    »Dr. Stachelmann.«
    »Dr. Stachelmann.« Sie hörte wieder zu. »Ich schicke ihn dann vorbei.« Sie legte auf. »Also, da müssen Sie jetzt hinausgehen, dann folgen Sie dem Gang nach links.«
    Er hatte keine Mühe, das Dienstzimmer von Kehrer zu finden. Der saß an seinem Schreibtisch und schrieb etwas auf einer Tastatur.
    »Bitte«, sagte er und wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Sie sind der Herr Dr. Stachelmann, ja?«
    »Ja.«
    »Kann es sein, dass ich was von Ihnen gelesen habe?«
    »Kann sein, aber ich weiß es nicht.«
    Kehrer grinste leicht. »Buchenwald?«
    Stachelmann nickte.
    »Gute Arbeit«, sagte Kehrer. »Aber darüber wollen Sie nicht mit mir sprechen.«
    »Sie haben zu DDR-Zeiten hier gelehrt?«
    »Ja. Ich bin übrig geblieben. Die anderen Kollegen wurden abgewickelt.« Er sagte es mit einem verächtlichen Unterton. »Als hätte es in der DDR keine Historiker gegeben, sondern nur SED-Propagandisten.« Es klang so, als wollte er sagen: Und dann kamen die lieben Kollegen aus dem Westen und haben uns erklärt, was Geschichte sei.
    »Ich interessiere mich für den Lebenslauf eines bestimmten Studenten, Wolf Griesbach. Erinnern Sie sich an den? Er muss Anfang der achtziger Jahre hier studiert haben.«
    Kehrer nickte. Eine auf der Glatze klebende weißgraue Haarsträhne löste sich und fiel nach vorn. »Aber das ist doch nicht Ihr Forschungsgebiet.«
    »Noch nicht. Mein Interesse ist eher privat.«
    »Das hörte sich aber anders an.«
    Stachelmann zuckte mit den Achseln.
    »Und was ist mit diesem Griesbach?«
    »Der ist tot.« Stachelmann suchte fieberhaft nach einer plausiblen Erklärung. »Er war mein Kollege. Und seine Witwe hat mich beauftragt, seine Biografie zu vervollständigen. Sie weiß nichts über seine Zeit in der DDR. Das ist ein bisschen ungewöhnlich, aber einer trauernden Witwe kann man schlecht etwas abschlagen. Zumal ich ohnehin nach Berlin musste.«
    »Warum sagen Sie das nicht gleich?«
    »Es ist doch ein bisschen komisch.«
    »Gewiss. Aber ich kenne Dinge, die sind noch komischer.« Er zog eine bittere Miene.
    »Sie kannten Herrn Griesbach?«
    »Gewissermaßen, wenn auch schlecht. Herr Griesbach erlangte allerdings einige Bekanntheit, weil seinetwegen die Partei- und die FDJ-Leitung an der Universität tagten. Er war verhaftet worden wegen versuchter Republikflucht. Daraufhin schloss ihn die FDJ aus, und die Universität relegierte ihn. Es waren schlimme Zeiten. Seine Freundin kam erstaunlicherweise mit einer Rüge davon. Aber ihr wurde der SED-Kandidatenstatus aberkannt. Heute klingt das exotisch, nicht wahr?«
    »Es ist exotisch«, sagte Stachelmann. Wer war die Freundin? Er war aufgeregt und mühte sich, es nicht zu zeigen.
    »Wie hieß die Freundin?«
    »Lassen Sie mich nachdenken.« Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. »Ich weiß genau, wie sie aussah.
    Es war eine kleine Blonde, recht hübsch. Sie trug einen Pferdeschwanz. Sie hieß Helga, und dann irgendwas mit N.« Er nahm den Telefonhörer und tippte

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