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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Entführungen hörten auf, das stimmt. Aber Morde und Mordversuche hat es immer gegeben. Denken Sie an die Thallium-Geschichte.«
    Stachelmann hatte davon gelesen. Es stand in den Zeitungen, ein Fluchthelfer sollte mit Thallium ermordet werden, fast wäre es gelungen. »Von der habe ich gehört.«
    »Und Sie glauben, das sei ein Einzelfall? Ganz bestimmt nicht.«
    »Aber auf mich hat niemand einen Mordanschlag verübt, und wohin sollte man mich entführen? Die DDR gibt es nicht mehr.«
    »Auch falsch. Die DDR gibt es noch, jedenfalls Reste der Stasi. Was glauben Sie, wie viele Spione noch nicht enttarnt wurden? Verbrannte Akten, die Hauptverwaltung Aufklärung hat sich am Ende ihres tschekistischen Daseins mit nichts anderem beschäftigt, als Akten zu verbrennen, mit Billigung der Bürgerbewegungen. Auch der NVA-Geheimdienst hat gekokelt, was das Zeug hielt, mit Erlaubnis des Ministers. Deswegen werden viele nie gefasst werden, die im Westen für die DDR spitzelten.«
    »Und Rosenholz?«
    »Ich glaube nicht, dass die Akten, die uns die Amis gegeben haben, vollständig sind. Aber das können wir ja in Ruhe abwarten. Zurück zu Ihrer Geschichte. Es war üblich, dass die Stasi Dissidenten, Flüchtlinge, natürlich nur ausgesuchte, auch Fluchthelfer zersetzte. Das konnte bedeuten, dass sie in Wohnungen eindrang und absichtlich eine Kleinigkeit änderte, damit der Wohnungsinhaber merkte, es war jemand da gewesen. Das haben die bei bestimmten Leuten immer wieder gemacht. Oder sie haben Gerüchte in Umlauf gesetzt. Gern Sexgeschichten, um die Ehen der Leute zu zerstören. Dazu haben sie etwa Erotikartikel im Namen der Opfer bestellt, und der Postbote drückte der Ehefrau das Päckchen in die Hand. Sie glauben gar nicht, wie zäh das Misstrauen ist, wenn es einmal entstanden ist. Sie kriegen es nicht mehr tot. Andere Leute bekamen komische Anrufe. Na ja, und bei Ihnen ist offenbar ein Musikfreund im Gange.«
    Zakowski stand auf und griff nach der Kaffeekanne. Er schenkte beide Tassen voll. Er setzte sich wieder und trank einen Schluck. »Das haben Sie nicht gewusst?«
    »Was?«
    »Dass die Stasi zu solchen Mitteln greift.«
    »Ich dachte, die wilden Jahre der Entführungen und Morde seien spätestens seit dem Mauerbau vorbei.«
    Zakowski lachte. »Vielleicht wollte es auch keiner sehen. Dabei kann man in den Stasiakten nachlesen, dass die bis zum Ende der DDR im Westen gespitzelt und zersetzt haben. Der Leiter der Hauptabteilung VI im MfS, der Generalmajor Heinz Fiedler, hat sogar seine Promotionsarbeit darüber geschrieben, wie man ehemalige DDR-Bürger und Fluchthelfer in der Bundesrepublik fertig macht. Doktorvater war Erich Mielke. Hätte der Fiedler nicht 1993 in der U-Haft Selbstmord begangen, er dürfte seinen ihm von Mielke verliehenen Titel heute noch tragen, weil der Einigungsvertrag das verlangt.«
    Sie schwiegen. Stachelmann sah aus dem Fenster auf einen Busch. Ein Auto fuhr vorbei. Er fasste sich an die Knie, als wollte er den Schmerz wegwischen. Was will die Stasi von mir? Dann sagte er es laut: »Was will die Stasi von mir?«
    »Das wissen nur Sie«, sagte Zakowski. Er zeigte auf Stachelmanns Glas, der nickte. Zakowski goss auch sich Weinbrand nach.
    Stachelmann nippte am Glas und trank einen Schluck Kaffee hinterher. Er hatte etwas erfahren. Das war wichtig, er wusste es. Aber was sollte er mit dieser Information anfangen?
    »Demnach haben ehemalige Stasi-Mitarbeiter Wolf Griesbach umgebracht und wollen es mir in die Schuhe schieben.« Er sagte es vor sich hin.
    Zakowski nickte. »Davon sollten wir ausgehen. Vielleicht war es Rache?«
    »An Rache kann man immer denken. Sie ist wohl Tatmotiv Nummer eins, statistisch gesehen. Aber so spät?« Er dachte wieder an Leopold Kohn, der für seine Rache Jahrzehnte brauchte. »Fangen wir von hinten an. Warum dringen die bei mir ein, wie viele es immer sein mögen?«
    »Das ist einfach«, sagte Zakowski. »Die wollen Sie fertig machen. Es fängt an mit der Leiche im Kofferraum und setzt sich fort mit dem Psychoterror. Am Ende sollen Sie auf der Anklagebank sitzen. Werden Sie verurteilt, kommt der Mörder davon. Ich frag mich nur, warum gerade Sie.«
    »Das frag ich mich auch.«
    Schweigen. Zakowski trank Weinbrand.
    »Fangen Sie mal von vorn an.«
    »Was von vorn?«
    »Wie Sie in diese Sache gerasselt sind.«
    Stachelmann berichtete kurz von seiner Suche nach Griesbach und wie er in Lübeck die Leiche im Kofferraum fand.
    »Das ist eine böse Ironie, Sie suchen Wolle

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