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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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mehr gab, veranstaltete Spiele mit ihm. Das Historische Seminar war weit weg gerückt, weiter als China. Es war aus mit dem Historiker Josef Maria Stachelmann. Missmut ergriff ihn, dann Wut. Er hatte, verdammt, doch nichts getan. Fast war es so weit, dass er überlegte, ob er nicht doch Griesbach umgebracht hatte. Ich war es nicht. Und dieses Schwein, das mir den Mord in die Schuhe schieben will, muss ich kriegen, oder ich bin fertig. Keine Habilitation, keine Professur, keine Verbeamtung. Stattdessen Knast. Er schlug mit der Hand aufs Lenkrad. Beim zweiten Mal tat es weh. Du hast keine Chance, aber nimm sie wahr.
    Auf der Autobahn war wenig Verkehr. Bei Königs Wusterhausen verließ er die A12 und steuerte den Wagen Richtung Treptow und Friedrichshain. Dann klingelte das Handy. Er kramte in seinen Jacketttaschen, bis er es endlich fand. Das Auto schlingerte.
    »Sie müssen sich der Polizei stellen«, sagte Oppum.
    Stachelmann beendete das Gespräch. Auch der Anwalt konnte ihm jetzt nicht mehr helfen.
    Je näher er der Stadtmitte kam, desto zäher bewegte sich der Verkehr. Er überlegte, wie er etwas erreichen könnte an der Humboldt-Universität. Aber wahrscheinlich war es wieder ein Fehlschlag. Und warum sollte irgendjemand, den Griesbach in
    seiner DDR-Zeit gekannt hatte, ihn jetzt noch umbringen wollen? Aber warum bin ich nicht früher darauf gekommen, das Mordmotiv in Griesbachs Biografie zu suchen? Irgendwann hatte Griesbachs Lebensweg den Lebensweg eines anderen gekreuzt. Nur konnte dies auch vor kurzem geschehen sein, warum in der DDR-Zeit? Er sprach vor sich hin. Weil sonst die Stasi-Verbindung sinnlos wäre. Jemand legt dir eine Leiche in den Kofferraum und terrorisiert dich dann auf eigenartige Weise. Zakowski sagte, das sei die Methode der Stasi gewesen. Wenn das stimmte, war es ein Hinweis, dass Griesbach etwas mit der Stasi zu tun hatte. Entweder so oder so. Er hatte ja im Gefängnis gesessen. Also war er Opfer. Und doch musste er etwas getan haben, was seinen Mörder zur Tat trieb. War Griesbach verraten worden damals? Hatte er nun denjenigen gestellt, der ihn verraten hatte? Wie war er darauf gekommen? Hatte er erst jetzt seine Stasi-Akte gelesen? War das der Grund für ihn, nach Berlin zu fahren? Aber warum hatte er dann Ines nichts erzählt? War die Ehe schon so kaputt gewesen, dass die beiden nicht mehr miteinander redeten?
    Unter den Linden ging es nur im Schritttempo voran. Er hielt Ausschau nach einem Parkplatz. In einer Seitenstraße sah er ein Auto ausparken. Er stellte den Wagen ab und steckte Münzen in die Parkuhr. Er würde aufpassen, dass die Polizei ihn nicht wegen einer Lappalie erwischte.
    Immer wenn er ein Bild vom preußischen König Friedrich II. sah, dachte er, der müsse eher der Glückliche heißen als der Große. Dem Tod der Zarin Elisabeth verdankte er es, dass Preußen als Großmacht überlebte. Der Alte Fritz ritt vor der Humboldt-Universität in Richtung Palast der Republik, den es bald nicht mehr geben würde. Stachelmann ging in das Unigebäude, vorbei an Büchertischen mit DDR-Literatur. Aber dafür hatte er heute kein Auge. Im Erdgeschoss fragte er eine Studentin nach dem Sekretariat. Sie erklärte ihm den Weg. Er fand ihn gleich, klopfte an die Tür und öffnete. Da schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, ob die schon wussten, dass nach ihm gefahndet wurde? Unmöglich. Hinter einem Tresen stand eine Frau und redete mit einem Studenten. Der Student stammte aus Asien und sprach kaum Deutsch. Es dauerte lange, bis der Student die Frau verstand. Sie zeigte keine Ungeduld. Dann ging der Student.
    »Guten Tag, ich suche einen Studenten, der 1981 und/oder 1982 bei Ihnen studiert hat.«
    Die Frau schaute ihn von oben bis unten an. »Es handelt sich um personenbezogene Daten, die ich Ihnen kaum geben darf.« Sie sagte es gelassen.
    »Kennen Sie vielleicht eine Lehrkraft am Historischen Seminar, die vor der Wende hier unterrichtet hat?«
    »Sie meinen das Institut für Geschichtswissenschaft, das gehört zur Philosophischen Fakultät I. Das Sekretariat ist hier im Haus.« Sie erklärte ihm den Weg.
    Er klopfte an die Tür, hinter der sich laut Beschilderung das Sekretariat der Philosophischen Fakultät I verbarg, und öffnete sie. Ob die hier schon wussten, was ihm geschehen war? Tratsch ist oft schnell. Im Sekretariat war niemand. Er setzte sich auf einen Stuhl neben der Tür und wartete. Der Stuhl war hart. Er versuchte vergeblich, eine bequemere Sitzposition zu finden. Dann

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