Mit Blindheit Geschlagen
steckte es ein. »Ich lass mal meine Beziehungen spielen. Haben Sie eine Karte?«
Ines gab ihm eine Visitenkarte.
»Ich melde mich nachher. Und wir gehen heute Abend einen trinken, oder?«, fragte er Stachelmann. »Kommen Sie mit?«
»Ich will am Telefon bleiben«, sagte sie. »Aber kommen Sie beide doch zu mir. Es würde mir helfen.«
»Gut, ich sehe mal, was ich machen kann. Dann melde ich mich.« Ossi hob kurz die Hand und ging. Er erweckte den Eindruck, es gebe nichts Wichtigeres, als den Mann zu finden, der sich wahrscheinlich nur ein paar schöne Tage gönnte in Berlin.
Stachelmann erhob sich. »Ich komme wieder«, sagte er.
»Wenn Ossi sich gemeldet hat, ruf mich bitte an. Ich bin in meinem Dienstzimmer. Hausarbeiten.« Er sagte ihr nicht, dass er jetzt nicht zusammen sein wollte mit ihr.
Er sah, wie sie etwas erwidern wollte, es aber dann unterließ. »Ja, ich melde mich.« Sie drehte sich weg, als er ging.
In seinem Dienstzimmer suchte er nach seinem Notizbuch, fand es aber nicht. Vielleicht hatte er es im Auto vergessen. Er nahm sich vor, noch am Abend nachzusehen.
Er blätterte in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, als es klingelte. »Nichts«, sagte Ines. Sie klang erschöpft, fast außer Atem.
»Also keine Spur von Wolf.« Er wunderte sich, dass er ihn Wolf nannte.
Sie beachtete es nicht. »Keine. Kommst du? Dein Polizisten-freund hat sich schon angemeldet.«
»Soll ich was einkaufen?«
»Nein, ich habe genug Vorräte.«
Als er aufgelegt hatte, klopfte es an die Tür. Sie öffnete sich ein Stück und Anne schaute durch den Spalt. »Stör ich?« Sie klang fröhlich.
»Ich muss weg. Verabredung«, sagte er.
Er wartete auf eine Bemerkung. Aber Anne sagte nur: »Wegen Meyerbeck, Bohming hat mir was geflüstert. Wann hast du Zeit?«
»Montag«, sagte Stachelmann. »Wann du willst.«
Sie lächelte ihm zu und ging. Dann kamen die Schmerzen zurück, sie hatten dumpf gelauert und wurden jetzt scharf. In Wellen zogen sie die Beine hoch, griffen nach der Wirbelsäule und kniffen schließlich im Nacken. Er nahm zwei Tabletten und wartete. Wenn er Glück hatte, würde es etwa eine halbe Stunde dauern, bis sie wirkten, der Schmerz würde nicht verschwinden, aber schwächer werden. Als er ein Bein bewegte, schrie er auf, es war, als würde ihm jemand ein Messer ins Knie stoßen.
Er saß starr und dachte an den Abend. Ossi würde eine Show abziehen, wie er es immer getan hatte, wenn eine Frau dabei war. Er hatte das Imponiergehabe eines Pfaus, und es ließ ihn kalt, wenn man es ihm sagte. Stachelmann ruckelte auf dem Stuhl, um die Hüftgelenke zu entlasten, und biss die Zähne zusammen, weil die Knie immer noch höllisch schmerzten. Er überlegte nicht zum ersten Mal, ob er sich eine Liege ins Zimmer stellen sollte, die blöden Blicke am Anfang musste er aushalten. Er malte sich aus, was die Männer sagen würden: »Ist das Ding da für die Sprechstunde mit der netten Blonden aus deinem Hauptseminar?« Das wäre etwa Ostermanns Preislage. Und Lehmann würde vielleicht bemerken: »In der Waagerechten wird der Kopf besser durchblutet, du solltest die Liege als Büromaterial angeben, dann kriegst du die Anschaffungskosten erstattet.« Der Sagenhafte würde kein Wort verlieren, aber einen vielsagenden Blick zum Himmel schicken. Allein Anne würde ihn verstehen. Er hatte es vor Jahren schon aufgegeben, Leuten zu erklären, was eine Arthritis ist.
Vorsichtig versuchte er das Knie zu bewegen. Es war wie blockiert, er überwand den Widerstand im Gelenk. Das Gleiche tat er mit dem anderen Bein. Es wurde besser.
Auf dem Weg zu Ines fiel ihm das Gehen noch schwer. Ossi war schon da. Stachelmann hörte seine laute Stimme, als er vor der Wohnungstür wartete. Ines hatte eine Jeans und einen Pulli an, sie war bleich, dunkle Ränder begannen sich unter ihren Augen zu zeigen.
Auf dem Tisch im Wohnzimmer standen Flaschen und Gläser. Zu essen gab es Pizzastücke.
»Und nun?« Er setzte sich auf einen Sessel.
»Ich habe herumtelefoniert, niemand hat ihn gesehen. Als wäre er gar nicht in Berlin gewesen«, sagte Ines. Sie klang erschöpft.
»Und ich habe mit Kollegen in Berlin telefoniert, ob irgendeine Meldung reingekommen ist über einen Unfall oder sonst was.« Stachelmann begriff gleich, was Ossi mit »sonst was« meinte. »Es ist nichts dabei, was mit dem Professor zu tun haben könnte. Anders gesagt, wenn man spurlos verschwinden wollte, müsste man es so machen wie Herr Griesbach.«
»Er
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