Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
verschwindet nicht einfach«, sagte Ines.
    »Offenbar ist er es aber«, sagte Stachelmann. »Und du hast wirklich alle Freunde, Bekannten und Verwandten angerufen?«
    Ines dachte nach. »Ja.« »Auch welche von früher?«, fragte Ossi. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Weinglas.
    »Was heißt früher?« Ines sprach matt.
    »Früher heißt Leute, mit denen man heute keinen Kontakt mehr hat, die man aber mal gekannt hat. So wie ich Jossi erst nach vielen Jahren mehr zufällig in Hamburg getroffen habe, weil das Abendblatt über einen Vortrag von ihm berichtet hatte.«
    »Ach so«, sagte Ines.
    »Wenn man einen Menschen finden will, muss man dessen Biografie betrachten. Vor allem muss man herausbekommen, wen er gekannt hat.«
    »Ich verstehe«, sagte Ines. »Aber im Fall von Wolf kommt es mir absurd vor.«
    »Warum?«
    Stachelmann verfolgte den Dialog genau. Irgendwie kam es ihm vor, als belauerten sich die beiden. Ines schien auszuweichen. Nicht so, dass es hätte bewiesen werden können. Aber ihr behagten Ossis Fragen nicht. Sie wurde vielleicht an Dinge erinnert, die sie verdrängt hatte. Du spinnst, widersprach er sich gleich, die Frau ist fertig mit den Nerven und hält Ossis Fragerei für sinnlos. Sie musste wissen, ob es Zeitverschwendung war, in der Vergangenheit zu graben.
    Als ahnte Ossi Stachelmanns Gedanken, sagte er:
    »Manchmal ist es die schwächste Spur, die zum Ziel führt. Irgendwas, das einem geradezu widersinnig vorkommt.«
    Er schniefte. »Oft verstehen die Leute nicht, warum wir diese oder jene Frage stellen.«
    Ines schloss die Augen, beugte sich nach vorne und strich sich durchs Haar. Als sie die Augen öffnete, sagte sie: »Doch, Sie haben Recht. Mir ist da noch was eingefallen. Wolf hat vor vielen Jahren einen Freundeskreis gehabt. Der ist inzwischen zerstreut. Das waren Fluchthelfer. Wolf hat sich da sehr engagiert.«
    »Also Leute, die andere Leute aus der DDR rausgeholt haben«, sagte Ossi.
    »Ja, aber der Kontakt ist dann mit der Zeit abgebrochen.«
    »Die Fluchthelfer hatten mit dem Fall der Mauer ausgedient«, sagte Stachelmann.
    »Ja, und dann verlor sich der Zusammenhalt in der Gruppe. Es gab keinen Streit oder so, nur die Einsicht, dass diese Leute nicht viel mehr zusammengehalten hat als ihre Aktionen.«
    »Und warum könnte Ihr Mann dann doch wieder Kontakt aufgenommen haben mit diesen Leuten?« Ossi goss sich sein Glas voll. Dabei kleckerte er auf den Tisch, Ines schien es nicht zu bemerken. Ossi nahm ein Taschentuch und wischte die Weintropfen weg. Dann lehnte er sich zurück. Er sah zufrieden aus, genoss seine Rolle.
    »Er hat mir vor ein paar Monaten erzählt, einer von denen habe ihn angerufen.«
    »Und was hat er gewollt?«
    »Das weiß ich nicht. Mein Mann wusste, dass ich den nicht mochte. Warten Sie, gleich fällt mir der Name ein. Ein widerlicher Typ, entschuldigen Sie.«
    »Was ist widerlich an ihm?«
    »Ein paar von diesen Treffen haben damals bei uns stattgefunden. Und dieser, jetzt hab ich den Namen, Karsten Pawelczyk, also, dieser Pawelczyk hat mich, wie soll ich es sagen, ziemlich bedrängt. Hat mir aufgelauert, mir seine Visitenkarte zugeschoben, wenn er einen Augenblick allein war mit mir. Und er hatte einen Hang zu schmutzigen Witzen. Wenn er einen erzählte, hat er immer mich angeguckt. Ich hatte das alles schon vergessen. Mein Gott, was war dieser Typ abstoßend.«
    »Haben Sie das Ihrem Mann erzählt?«
    »Natürlich. Aber der hat nur gelacht. Pawelczyk sei eben einer, der überall Bestätigung suche. Dieser Drang habe ihn auch zum Fluchthelfer gemacht. Nach dem Mauerfall hat der rumgetönt und war beleidigt, dass man ihn nicht jeden Tag vierundzwanzig Stunden lang feierte.« Stachelmann hörte den Hass in ihrer Stimme.
    »Kein Wunder, dass Sie diesen Kerl schnell vergessen wollten«, sagte Ossi. »Aber wie es scheint, sollten Sie ihn mal fragen. Er hatte immerhin vor kurzem Kontakt mit Ihrem Mann.«
    Ines schüttelte leicht den Kopf.
    »Soll ich ihn anrufen?«, fragte Stachelmann.
    »Wenn du das tun würdest, wäre ich dir dankbar. Sehr dankbar.«
    »Hast du die Nummer?«
    »Weiß ich nicht, ich muss sie suchen.« Sie stand auf und verschwand in einem Nachbarzimmer. Ossi folgte ihr mit den Augen, bis sie die Tür geschlossen hatte. Dann pfiff er leise. »Die würde ich nicht verlassen, wenn ich der Professor wäre.«
    »In einer Beziehung spielen nach ein paar Jahren auch ein paar andere Sachen eine Rolle«, sagte Stachelmann.
    Ossi winkte ab. »Weiß

Weitere Kostenlose Bücher