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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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nicht größer als eine Zelle, saß ein Mann an einem Schreibtisch. Er trug einen roten Backenbart und erinnerte Stachelmann an Ossi. Der Mann war kleiner als der Kommissar.
    »Nehmen Sie Platz.« Er wies auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch. »Ich muss Sie ein paar Dinge fragen, und Sie können Wünsche äußern. Bedenken Sie aber, Sie sind im Gefängnis, in Untersuchungshaft, da bestimmt der Haftrichter oder der Staatsanwalt, was wir Ihnen erlauben dürfen und was nicht.« Es hörte sich an, als dürfe er wenig erlauben.
    »Ich möchte eine Einzelzelle«, sagte Stachelmann.
    Der Leiter nickte. »Das kann ich mir vorstellen, aber zurzeit ist keine frei.«
    »Ich werde wahnsinnig«, sagte Stachelmann.
    »So schnell geht das nicht«, sagte der Leiter.
    »Doch«, sagte Stachelmann. »Wenn der Fernseher den ganzen Tag und fast die ganze Nacht läuft und nur Dreck gezeigt wird.«
    »Reden Sie doch mit Ihrem Zellengenossen. Finden Sie einen Kompromiss.«
    »Der versteht mich nicht, und außerdem gibt’s dann Streit in der Zelle. Das halte ich nicht aus.«
    »Also, ich kann Ihnen da kaum helfen. Wir könnten den Fernseher rausnehmen, aber das wäre keine Erleichterung. Es gäbe nur Krach. Versuchen Sie abzuschalten.«
    Der Stationsleiter fragte Stachelmann alles Mögliche, vor allem Unmögliches. Ob es weitere Straftaten gebe, deren er beschuldigt werden könnte. Ob er irgendjemanden zu versorgen habe, Alimente zahlen müsse. Ob er süchtig sei und Entzugserscheinungen befürchte. »Sind Sie selbstmordgefährdet?«
    »Ja«, sagte Stachelmann, »wenn ich weiter fernsehen muss.« Er war zornig.
    Der Leiter überhörte die Bemerkung. »Haben Sie Verwandte, Freunde, die Sie als Kontaktpersonen angeben möchten?«
    »Anne Derling.« Er nannte Adresse und Telefonnummer.
    Der Leiter schrieb. »Sonst jemanden?«
    Stachelmann schüttelte den Kopf.
    »Sonst noch was?«
    »Ja, ich brauche Tabletten.«
    »Sie wurden noch nicht dem Arzt vorgestellt?« Er schien erschrocken.
    »Nein.«
    Der Leiter griff zum Telefon. Der UG Dr. Stachelmann solle sofort zum Arzt gebracht werden. Warum das nicht geschehen sei? Er hörte einen Augenblick zu und zog eine Grimasse. Dann sagte er: »Nein, das ist nicht in Ordnung. Außerdem widerspricht es der Vorschrift.« Er knallte den Hörer auf die Gabel und schrieb etwas auf.
    »Wenn Sie Tabletten benötigen, werden Sie sie bekommen.«
    »Sie wurden mir abgenommen.«
    »Dann sind sie jetzt in der Habekammer. Sie bekommen neue.«
    Es klopfte, die Tür öffnete sich. Schwarzenegger steckte seinen Kopf durch den Spalt.
    »Moment«, sagte der Leiter. Die Tür schloss sich.
    »Wenn Sie Taschengeld brauchen, müssen Sie diesen Antrag ans Sozialamt richten.« Er schob Stachelmann ein Papier zu. »Das Sozialamt übernimmt auch Ihre Miete, bis zu einem halben Jahr.«
    Die Schwäche packte Stachelmann schlagartig.
    »Sie sind ja totenbleich«, sagte der Leiter. Er griff zum Telefon und drückte einen Knopf. »Den Arzt, sofort, in mein Büro.« Er wandte sich an Stachelmann: »Wollen Sie was trinken?« Stachelmann wehrte ab. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
    Als er aufwachte, schaute er in die Augen einer Frau. Sie waren blau, und Stachelmann sah ein Lächeln.
    »Da sind wir ja wieder«, sagte die Frau. Sie nahm seinen Arm und fühlte den Puls. Als sie das Handgelenk losließ, sagte sie: »Schon besser.« Sie hatte kurze braune Haare.
    Die Frau verließ das Zimmer, da erst entdeckte Stachelmann den Tropf an seinem Arm. Die Tür öffnete sich wieder, ein Mann in einem weißen Kittel erschien. »Sie wollten ja sowieso zu mir«, sagte er. Er schaute aufs Fußende des Betts. »Sie sind Kollege?«
    »Nein, Historiker«, sagte Stachelmann. »Mordender Historiker.«
    »War das ein Geständnis? Dafür wäre ich der falsche Adressat. Aber ich kann es ja weitergeben.«
    »Ein schlechter Scherz.«
    »Sie hatten eine Kreislaufschwäche. Jetzt sieht es schon besser aus. Sie sind ja auch schon wieder zu Scherzen aufgelegt, auch wenn deren Qualität noch nicht wirklich gut ist.« Der Arzt verzog keine Miene.
    »Ich brauche meine Tabletten.«
    »Welche?«
    »Diverses gegen Spondarthritis.« Stachelmann zählte die Präparate auf und nannte den Arzt, der sie ihm verschrieb.
    »Warum sagen Sie das nicht gleich? Ich ruf den Kollegen an, dann wird Ihnen ein Justizbeamter die Tabletten zu den richtigen Zeiten aushändigen. Und wenn es Ihnen dreckig geht, kommen Sie zu mir.«
    Stachelmann bat um eine gute Matratze, der Arzt sagte,

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