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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Er stieg die Treppe hoch zur Wohnung, die Musik wurde lauter. Als er vor der Tür stand, wusste er, die Musik tönte aus seiner Wohnung. Ich habe sie ausgemacht, bevor ich mich hinlegte. Und den CD-Spieler nicht eingeschaltet, als ich aufstand. Ich bin dann gleich zum Ali Baba gelaufen.
    Stachelmann schloss die Tür auf. Er zögerte, sie von innen zu schließen. Es muss jemand eingedrungen sein. Er verließ die Wohnung wieder und betrachtete das Schloss. Es war kein Kratzer zu entdecken. Dann ging er wieder hinein. Im Flur packte ihn die Angst. Kein Zweifel, da war jemand in der Wohnung, und dieser Jemand war nicht die Polizei. Er ging wieder hinaus, zog die Tür leise von außen zu und schloss vorsichtig ab. Er eilte die Treppe hinunter und kramte in den Taschen nach seinem Handy. Er fand es nicht, so rannte er zur Telefonzelle am Pferdemarkt. Nach kurzem Zögern wählte er die 110.
    »Polizei-Notruf.«
    »Ja, hier Stachelmann. In meiner Wohnung ist ein Einbrecher.«
    Er nannte die Adresse und sagte, von wo er anrief.
    »Aber kommen Sie ohne Sirene und Blaulicht.«
    »Ja, ja«, sagte der Polizist. »Warten Sie vor der Telefonzelle.«
    Nach ein paar Minuten erschien ein Streifenwagen, darin zwei Beamte, einer trug einen Vollbart. Sie baten Stachelmann, in den Wagen einzusteigen, und fuhren zur Wohnung.
    »Geben Sie mir bitte den Schlüssel, und warten Sie im Wagen«, sagte der Beamte mit dem Bart. Er sprach mit plattdeutschem Akzent.
    Stachelmann schüttelte den Kopf. »Ich komme mit«, sagte er.
    Er fühlte sich sicher in Begleitung der Polizisten.
    »Bitte«, sagte der Polizist, »es ist Ihr Risiko.«
    Sie stiegen die Treppe hoch, die Musik wurde lauter. Stachelmann händigte dem Polizisten den Schlüssel aus, und der bärtige Beamte öffnete die Tür. Sein Kollege zog die Pistole aus dem Halfter und ging vor. Händels Feuerwerksmusik. Der Beamte mit dem Bart zog ebenfalls seine Waffe und folgte dem Kollegen. Stachelmann betrat nach den beiden die Diele. Der Vollbart drückte die Klinke der Wohnzimmertür, dann stieß er sie auf und legte an. Die Musik füllte den Flur. Die beiden Polizisten gingen ins Wohnzimmer, der eine sicherte den anderen. Sie kamen heraus, der Vollbart schüttelte den Kopf. Sie untersuchten Küche, Bad und Schlafzimmer. Dann standen sie im Flur und schauten Stachelmann an. »Sie sind ganz sicher, dass Sie die Musik nicht selbst angemacht haben?«
    »Ja.«
    »Haben Sie etwas getrunken?«
    »Ein Glas Wein und einen Schnaps.«
    »Bei manchen reicht das«, sagte der Bärtige. »Wenn noch Stress dazukommt oder Frust oder so.«
    »Bei mir reicht das nicht«, sagte Stachelmann.
    »Haben Sie was Schlimmes erlebt in letzter Zeit?«
    »Sind Sie Psychologe?«, fragte Stachelmann den Bärtigen.
    »Komm, wir gehen«, sagte der Kollege des Bärtigen. Sie verließen die Wohnung. Der Vollbart schüttelte den Kopf.
    »Als gäbe es nichts Wichtigeres«, hörte Stachelmann ihn murmeln.
    Stachelmann schloss die Tür ab und ging ins Schlafzimmer. Die Schranktür stand offen. Er tastete mit der Hand im Schrank, fand aber nichts. Er kniete und schaute unters Bett. Gewiss hatten die Polizisten jede Möglichkeit bedacht, wo sich einer verstecken konnte. Dennoch durchsuchte Stachelmann auch die anderen Räume. In der Küche fand er sein Handy unter einer Zeitung auf dem Tisch. Er war nicht irre, er hatte die Musik nicht aufgelegt, und sein CD-Spieler schaltete sich nicht von selbst ein. Die CD war zu Ende, nach einem Augenblick der Ruhe begann sie von vorn. Stachelmann erschrak. Es war, als hätte eine unsichtbare Hand den Start-Knopf gedrückt. Er betrachtete das Display, Repeat leuchtete auf. Diese Funktion hatte er noch nie benutzt. Er schaltete das Gerät aus.
    Dann setzte sich Stachelmann aufs Sofa und grübelte. War er versehentlich an die Taste gekommen? Was sagte Stachelmanns Ratgeber für rätselhafte Erscheinungen dazu, Wilhelm von Ockham, der Mönch aus dem Mittelalter, der mit seinem geistigen Rasiermesser alles Nebulöse abschnitt? Wahrscheinlich ist das nahe Liegende richtig. Wenn dir ein Nashorn auf der Straße begegnet, ist es nicht aus Afrika eingewandert, sondern aus einem Zoo ausgerissen. Wenn dein CD-Spieler endlos Händel spielt, dann hast du ihn eingeschaltet und versehentlich die Repeat-Taste erwischt. Jede andere Erklärung ist schwachsinnig.
    Das Telefon klingelte.
    »Es ist ein Junge«, sagte Anne. »Aber glaub nicht, dass ich ihn Josef nenne. Es genügt, dass du mit dem Namen bestraft bist.

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