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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Leid.«
    Als Bohming gegangen war, wählte Stachelmann Oppums Nummer. Der Anwalt berichtete, der DNS-Test habe ergeben, dass Stachelmann das Kondom benutzt habe.
    »Das ist keine Neuigkeit«, sagte Stachelmann.
    »Richtig, aber, sagen wir mal ermittlungspsychologisch ist esungünstig. Eine DNS-Übereinstimmung gilt als untrüglicher Beweis.«
    »Mehr als zugeben, dass ich die fragliche Nacht mit Frau Griesbach verbracht habe, kann ich nicht.«
    »Das ist richtig«, sagte der Anwalt, aber es lag kein Optimismus in seiner Stimme.
    »Gibt’s noch etwas, das Sie mir mitteilen wollen?«
    »Nur ein Eindruck. Die Kripo hat anscheinend andere Motive und Möglichkeiten geprüft, aber nichts gefunden. Die haben
    nur gegen Sie etwas in der Hand. Wie gesagt, das sind keine Tatsachen, aber die Stimmung in der Mordkommission war schon mal besser, was Sie betrifft.«
    Stachelmann berichtete von der Musik in seiner Wohnung und dass er die Polizei geholt habe.
    »Darauf hätte ich Sie auch noch angesprochen. Durch einen blöden Zufall hat die Mordkommission davon erfahren. Der Kriminalrat sagte mir am Telefon, er habe den Eindruck, Sie wollten ablenken von sich oder sich zum Opfer stilisieren. Manchen mache das schlechte Gewissen fast verrückt, sodass er schließlich auch an Gespenster glaube.«
    »Ich weiß, dass ich es nicht war. Und ich habe eine Spur gefunden.« Er berichtete von den Fluchthelfern und seinem Verdacht, ein gescheiterter Flüchtling könnte sich gerächt haben.
    Oppum hörte zu und versprach, die Kripo auf diese Spur hinzuweisen. Er klang nicht überzeugt.
    Nach dem Telefonat versuchte Stachelmann zu arbeiten. Aber die Seiten verschwammen vor seinen Augen. Er versuchte, sich zu zwingen, es half nicht. Wie ein Kreisel drehten sich die Gedanken an den Mord und die Ermittlungen in seinem Kopf. Er rief die Datei mit dem Entwurf seiner Habilschrift auf und schloss sie wieder. Er blätterte in Fachzeitschriften und Hausmitteilungen.
    Dann kam Renate Breuer mit dem Abendblatt-Artikel.
    »Den soll ich Ihnen bringen.« Sie hielt ihn zwischen zwei Fingern und legte ihn auf den Tisch. Im Artikel wurde berichtet, der Lübecker Dozent J. M. St. habe die Leiche eines Geschichtsprofessors im Kofferraum seines Autos gefunden. Beide hätten an der Universität Hamburg gearbeitet. Die Lübecker Mordkommission habe den Geschichtsdozenten als Tat-verdächtigen verhaftet, aber nach wenigen Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt, da keine Verdunkelungsgefahr mehr gegeben sei. Der Tatverdacht bestehe allerdings fort. »Die Lübecker Kriminalpolizei hüllt sich offiziell in Schweigen. Es gilt aber als sicher, dass sie ein Beziehungsdrama als Tatmotiv annimmt.«
    Wenn sich die Polizei in Schweigen hüllte, von wem stammten die Informationen im Abendblatt? Das Wort »offiziell« schien wichtig zu sein, Burg oder Wesendorn hatten vermutlich inoffiziell geplaudert. Erst allmählich erfasste Stachelmann die Bedeutung des Artikels. Er stempelte ihn zum Mörder ab. Jedenfalls dachten die Leser, der wird es schon gewesen sein. Hat mit der Frau des Opfers im Bett gelegen, ist doch klar. Es schnürte Stachelmann die Brust ein. Schweiß brach aus, zuerst auf der Stirn, dann am ganzen Körper. Stachelmann sprang auf und öffnete das Fenster. Er steckte den Kopf hinaus, kalter Regen traf sein Gesicht. Ein Windstoß trieb feine, kalte Tropfen durch den Von-Melle-Park. Stachelmann schwitzte und fror. Die Beklemmung lähmte ihn. Er fühlte sich hilflos angesichts einer Macht, die mit ihm zu spielen schien. Er hatte Griesbach nicht getötet, er wusste nicht, wer die Leiche in seinen Kofferraum gelegt hatte. Er musste sich nicht entlasten, für die Beweise war die Polizei zuständig. Und doch fühlte er, dass er etwas tun musste. Der Wahn rückte näher, ihn packte die Angst, sie würden ihn wieder in den Knast bringen. Er malte sich die Gerichtsverhandlung aus. Irgendein Sachverständiger würde erklären, die Fasern auf dem Beifahrersitz in Stachelmanns Auto stammten von Griesbachs Kleidung. »Was sagen Sie dazu, Angeklagter?«, würde der Staatsanwalt bellen, Triumph in der Stimme. »Ach, Sie haben keine Erklärung, hätte ich mir ja denken können.« Und dann würde der Sachverständige sagen, die DNS-Spuren am Kondom seien identisch mit denen der Speichelprobe. Der Anwalt würde einwenden, keines dieser Indizien beweise die Schuld seines Mandanten, für alles gebe es harmlose Erklärungen. Und die Nacht mit der Frau des Opfers? Nun ja, das sei nicht

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