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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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zurückging auf eine Sache, die mit Griesbachs Vergangenheit als Fluchthelfer zu tun hatte. Dass er nicht früher darauf gekommen war! Er stellte sich vor, eine Flucht war gescheitert, die Stasi verhaftete die Flüchtlinge, sie wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Und sie gaben Griesbach die Schuld. Weil Stachelmann Griesbach suchte, hielten sie ihn für einen Komplizen. Die Leiche im Kofferraum ließe sich so gut erklären. Woher wussten die Flüchtlinge, dass Stachelmann Griesbach suchte? Hatte Ines das gegenüber Bekannten erwähnt? Hatten Pawelczyk oder Wittstock geredet, die beiden Fluchthelferspezis, die er besucht hatte in Berlin? Er stand auf und suchte im Schreibtisch eine Weile, bis er den Zettel fand, auf dem er Pawelczyks und Wittstocks Telefonnummern notiert hatte. Pawelczyk war ihm unsympathisch, also wählte er Wittstocks Nummer.
    Die Frau nahm ab. Dann krähte sie: »Henry!«
    »Wittstock.«
    »Dr. Stachelmann. Entschuldigen Sie meinen späten Anruf. Wissen Sie, dass Wolf Griesbach tot ist?«
    Er hörte Wittstock schnaufen. »Ja. Die Polizei war hier. Wie kommt die auf mich?«
    »Die Leiche lag im Kofferraum meines Autos, als ich aus Berlin zurückkam.«
    Schweigen, dann sagte er: »Ach so. In Ihrem Kofferraum? Davon hat die Kripo nichts gesagt.«
    Stachelmann wunderte sich. »Wie viele Fluchthilfeaktionen haben Sie gemeinsam mit Griesbach unternommen?«
    Wieder eine Weile Schweigen. »Ich rede nicht gern darüber am Telefon.«
    »Bitte seien Sie so freundlich. Es hört niemand zu.« Stachelmann wusste nicht, ob er die Wahrheit sagte.
    Erneut schwieg Wittstock einige Sekunden. »Es waren zwölf oder dreizehn Aktionen. Ungefähr, ich müsste das mal nach schlagen, dann könnte ich es genauer sagen.«
    »Und wie viele Unternehmen gingen schief?«
    »Etwa die Hälfte.«
    »Das heißt, die Flüchtlinge wurden gefasst?«
    »Ich glaube, in einem Fall hat die Staatssicherheit einen Kurier geschnappt, die Flüchtlinge kamen trotzdem in den Westen. Aber es war ein Fehlschlag.«
    »Ich verstehe.«
    »Das hoffe ich.«
    »Und die Leute, die erwischt wurden, wem haben die die Schuld gegeben?«
    »Das weiß ich nicht. Wir hatten mit denen keinen Kontakt mehr danach. Die wurden wahrscheinlich eingesperrt und irgendwann freigekauft.«
    »Können Sie sich vorstellen, dass solche Leute Ihrer Gruppe die Schuld gaben am Scheitern?«
    Wittstock schien zu überlegen. »Kann sein. Weiß nicht.«
    »Haben Sie Geld verlangt für Fluchthilfe?«
    »Natürlich. Glauben Sie, wir hatten keine Kosten? Das war teuer.«
    »Und wenn es schief ging, haben Sie das Geld zurückerstattet?«
    »Nein, wie denn? Wir hatten es ja ausgegeben für die Vorbereitungen. Aber wir haben alle Flüchtlinge auf das Risiko hingewiesen.«
    »Was hat es gekostet?«
    »Das kam darauf an. Einmal haben wir einen Mitarbeiter einer afrikanischen Botschaft in Ostberlin geschmiert, das ging ruckzuck und relativ risikofrei. Das kostete zehntausend Mark. In anderen Fällen mussten wir Papiere fälschen, in den Ostblock reisen, Kuriere schicken und so weiter. Das konnte zwanzigtausend Mark oder mehr kosten.«
    »Könnte da nicht einer, bei dem es nicht geklappt hat, sein Geld zurückverlangt haben?«
    »Die meisten haben doch erst nach der Flucht bezahlt. Manchmal gab es Teilzahlungen vorab. Von mir hat keiner Geld gefordert. Warum fragen Sie das eigentlich alles?«
    »Die Kripo verdächtigt mich.«
    Er sagte eine Weile nichts. »Sie haben ihn ja gesucht.«
    »Ja.«
    »Wolle war ein feiner Kerl.«
    »Bestimmt. Ich habe ihn nicht ermordet. Der Mörder hat mir seine Leiche in den Kofferraum gelegt, als ich in Berlin war.«
    Wittstock schnaufte schwer. Dann legte er auf.
    Stachelmann trank noch einen Schluck Wein und überlegte. Er fand die Idee überzeugend, da hatte sich einer gerächt. Stachelmann konnte sich das gut vorstellen. Etwa so: Eine Flucht scheitert, Grenzpolizisten zwingen die Flüchtlinge mit vorgehaltener Kalaschnikow, das Versteck im umgebauten Wagen zu verlassen. Es folgen Verhöre, dann der Prozess und ein paar Jahre DDR-Knast. Dagegen war seine U-Haft ein Zuckerschlecken gewesen. Natürlich fragten sich die gefangenen Flüchtlinge, wer die Grenzpolizisten darauf gebracht hatte, gerade ihr Auto so genau zu untersuchen. Da kann man auf Racheideen kommen, wenn man im Knast sitzt und grübelt, warum die Flucht gescheitert ist. Vor allem wenn man sich verraten fühlt. Da hat man Nerven und vielleicht auch schon Geld investiert in die Freiheit und

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