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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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alter Mann in der Tür, Stachelmann hatte ihn nur zwei- oder dreimal gesehen. Aus der Wohnung roch es streng. Der Mann trug ein Goldkettchen um den Hals mit einem Kreuz daran.
    »Haben Sie in den letzten Tagen einen oder eine Unbekannte im Haus gesehen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Guten Abend!« Er schloss die Tür.
    Stachelmann stand vor der Tür, einen Augenblick schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, der Mann habe vielleicht etwas zu tun mit der geheimnisvollen Musik. Aber er verwarf die Idee, es war absurd, der Alte lebte länger in dem Haus als Stachelmann, das war nicht der Typ, der in fremde Wohnungen eindrang, um CDs abzuspielen. Stachelmann ging hinunter zur Erdgeschosswohnung. Er klingelte, niemand öffnete. Er klingelte noch einmal mehrfach und lang, aber das Pärchen schien nicht da zu sein.
    Er kehrte zurück in seine Wohnung und schloss von innen ab. Dann durchsuchte er noch einmal alle Räume, auch den Schrank im Schlafzimmer. Er fand nichts. Unruhe erfasste ihn. Er setzte sich aufs Sofa und überlegte. Wer legte die CDs ein? Warum war es diesmal eine fremde CD? Welche Bedeutung hatte es?
    Am leichtesten schien ihm die Erklärung, warum es eine fremde CD war. Wer sie spielen ließ, wies ihn darauf hin, dass ein Fremder in die Wohnung eingedrungen war. Er wollte ausschließen, dass Stachelmann glaubte, sie selbst eingelegt zu haben. Gleichzeitig wollte er verhindern, dass Stachelmann die Polizei überzeugen konnte, dass nicht er selbst die CD hatte spielen lassen. Die Polizei würde ihm nicht glauben, dass es nicht seine CD war. Es war einfach, aber perfide. Und es war eine Steigerung. Als der Eindringling eine von Stachelmanns CDs einlegt hatte, mochte er sich vorstellen, Stachelmann würde sich irgendwann einreden, er habe die CD doch selbst abgespielt. Diese Erklärung schloss er nun aus.
    Er befragte sich, ob die CD tatsächlich nicht ihm gehörte. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie. Nein, das Klavierkonzert Nr. 2 von Brahms hatte er nicht gekauft oder geschenkt bekommen. Er besaß viele CDs, aber er kannte sie alle, er hatte sie ausgesucht, und er kaufte nicht, ohne zu überlegen.
    Er versuchte zu verhindern, dass die Unruhe in Angst umschlug. Da spazierte einfach einer in seiner Wohnung umher und trieb Spielchen mit ihm. Was war der Zweck? Wollte ihn einer verspotten? Ein Streich? Er kannte niemanden, der ihm Streiche spielte.
    Was würde der Unbekannte als Nächstes tun? Wieder eine Steigerung? Wie konnte sie aussehen? Konnte Stachelmann sie verhindern? Bisher war der Eindringling am Tag gekommen, würde er es auch in der Nacht tun?
    Du denkst zu schnell, du hast Angst. Langsam. Welches Ziel verfolgt der Eindringling? Wenn es kein Streich ist, dann versucht er, dich zu verunsichern, dich fertig zu machen. Was könnte der Grund sein? Das Ermittlungsverfahren wegen des Mords an Griesbach. Vielleicht will dich jemand als unglaubwürdig hinstellen, als einer, der die Nerven verloren hat, dem alles zuzutrauen ist. Wenn dies das Ziel war, dann war der Eindringling vermutlich Griesbachs Mörder. Die Angst wurde mächtig. Ein Mörder in meiner Wohnung. Beruhige dich. Der will dich nicht umbringen. Er will, dass du als Mörder dastehst. Sonst hätte er dir die Leiche nicht in den Kofferraum getan. Wenn er dich umbringen wollte, dann wäre alle Mühe umsonst.
    Er kommt, damit du durchdrehst, damit die Kripo glaubt, dir wäre einiges zuzutrauen, und weil die Indizien so liegen, auch ein Mord. Aus Verzweiflung, in einem Wahnanfall, da wird den Ermittlern schon was einfallen. Aber der Mörder, wenn er es denn ist, kann nicht glauben, dass zwei Geister-CDs genügen, um ihn ausrasten zu lassen. Also würde er weitermachen.
    Einen Augenblick war Stachelmann beruhigt. Das schien fast überschaubar. Wenn man weiß, dass man in den Wahnsinn getrieben werden soll, dann kann man sich wehren. Aber wenn es was anderes war? Wenn die Sache nichts zu tun hatte mit dem Griesbach-Mord? Er ging ein paar Schritte durch die Wohnung. Oder wenn einer glaubte, Stachelmann habe Griesbach ermordet, und sich rächen wollte? Die Unruhe kehrte zurück.
    Derjenige, der die CDs eingelegt hatte, wusste, Stachelmann war klar, dass jemand in seine Wohnung einbrach. Insofern spielte er mit offenen Karten. Woher hatte er den Schlüssel, oder wie kam er sonst in die Wohnung, ohne Spuren zu hinterlassen? Stachelmann ging zur Tür, nahm den Schlüssel vom Brett und betrachtete ihn. Als könnte er es dem

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