Mit Blindheit Geschlagen
war, goss er einen Becher voll, trank und verbrannte sich den Mund. Er hielt sein Gesicht unter den Wasserhahn und trank in großen Schlucken. Dann ging er ins Wohnzimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er schaltete den Computer ein und beobachtete, wie der hochfuhr. Bald erschien ein Anmeldefenster, er musste Benutzername und Passwort eingeben. Dieses Fenster hatte er noch nie gesehen. Und ein Passwort hatte er nie eingetragen. Er drückte die Enter-Taste, es erschien die Meldung, er habe einen falschen Benutzernamen oder ein falsches Passwort eingegeben.
Er saß vor dem Bildschirm und überlegte. So, wie es aussah, hatte jemand den PC gesperrt. Wer sonst als der Eindringling, der auch die Musik hatte spielen lassen? Stachelmann brach Schweiß aus, die Angst kam in Wellen, dann erfasste ihn der Hass. Er glaubte, er sei fähig, den Eindringling zu töten. Der beabsichtigte, ihn fertig zu machen, sein Leben zu zerstören. Am schlimmsten aber war die Ungewissheit. Warum das alles? Was hatte er getan, um sich diesen Fluch aufzuladen? Er schlug mit der Faust auf den Tisch und stöhnte auf.
Dann saß er bewegungslos. Wenn er den Benutzernamen und das Passwort herauskriegte, vielleicht verrieten sie etwas. Er ging ins Wohnzimmer und suchte im Telefonbuch. Bald fand er einen PC-Notdienst, »24 Stunden am Tag«. Er wählte die Nummer, sein Anruf wurde weitergeleitet. Dann eine Männerstimme. Stachelmann sagte, er habe sein Passwort vergessen, was man da machen könne.
»Windows- oder BIOS-Ebene?«, fragte der Mann.
»Weiß nicht, da kommt so ein Anmeldefenster.«
»Also Windows. Was für ein Windows haben Sie?«
»Weiß nicht.«
»Wenn der Rechner bootet, sehen Sie ein so genanntes Start-logo, eine Art Bild.«
»Gut, warten Sie.« Stachelmann drückte den Reset-Knopf und beobachtete, wie der PC startete. Dann erschien ein Bild mit weißem Hintergrund. Stachelmann las die Schrift, dann sagte er: »2000, da steht was von 2000.«
»Wird ein bisschen schwieriger, aber das kriegen wir hin.«
Stachelmann nannte Anschrift und Telefonnummer. Einen Augenblick überlegte er, ob der Mann vom PC-Notdienst etwas zu tun haben könnte mit dem Eindringling. Die Idee war absurd, ein solches Komplott gäbe es nur in einem schlechten Krimi. Aber immerhin, erst ein Schlüsseldienst, dann der PC-Notdienst, es war ein kleines Arbeitsbeschaffungsprogramm für Dienstleister. Stachelmann grinste grimmig, er war zornig. Es klingelte. Der Mann vom PC-Notdienst sah aus wie ein Boxer, Stachelmann bereute schon, ihn gerufen zu haben. Wer so aussieht, kann nur dumm sein.
»Haben Sie Ihre Windows-CD zur Hand?«, fragte der Boxer.
Stachelmann kramte im Regal, bis er eine CD-ROM fand, die richtig beschriftet schien.
»Dann wollen wir mal«, sagte der Boxer. »Ich mach jetzt eine Parallelinstallation, ist sowieso besser. Und von der greif ich auf die gesperrte Installation zu mit einem Programm, das Passwörter knackt. Dauert eine Stunde, dann ist das gegessen.« Die CD brummte schon im Laufwerk, die dicken Finger rasten über die Tastatur.
Stachelmann schaute auf die Uhr, es war halb neun.
»Sie brauchen mich ja nicht dazu.«
»Nee«, sagte der Boxer.
Stachelmann nahm das Telefon und sein Notizbuch mit in die Küche. Er wählte die Nummer von Wittstock. Wieder nahm die Frau ab. »Henry schläft noch, rufen Sie später noch mal an.« Sie legte auf. Stachelmann blätterte im Notizbuch, bis er die Nummer von Pawelczyk fand, und wählte sie.
Pawelczyk war wach. »Wolle ist tot, die Polizei hat es gesagt.
Ist das wahr?«
»Ja.«
»Ich kann es nicht glauben.«
Stachelmann entschied sich, Pawelczyk nicht zu erzählen, dass er als Mörder verdächtigt wurde.
»Herr Wittstock hat gesagt, einige Ihrer Fluchthilfeunternehmen seien fehlgeschlagen.«
»Ja.«
»Wissen Sie noch, welche?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Weil darin vielleicht ein Motiv liegt für den Mord.«
»Rache?«
»Ja.«
»Und warum überlassen Sie das nicht der Polizei?«
»Weil ich glaube, dass die auf dem Holzweg ist.«
»Aha.«
»Können Sie sich noch an die Fehlschläge erinnern?«
»Natürlich.« Er sprach gedämpft.
»Können Sie mir Namen und Anschriften von den Flüchtlingen nennen, die ergriffen wurden?«
»Ich weiß nicht so recht. Und dann am Telefon.«
»Es hört niemand mit«, sagte Stachelmann.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil wir in einem Rechtsstaat leben.« Ihm kam die Antwort selbst albern vor.
»Der liebe Gott erhalte
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