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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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war müde.
    In Lübeck griff sie wieder nach ihm, als er sich seiner Wohnung näherte. Die Musik fiel ihm ein, die eine Geisterhand aufgelegt hatte. Du bist verrückt. Du hast die Musik aufgelegt.
    Es ist nicht das erste Mal, dass du etwas tust, ohne es zu wissen. Der Druck ist zu groß, man ist es nicht gewöhnt, für einen Mörder gehalten zu werden. Da werden psychische Prozesse ausgelöst, der Mensch ändert sich und tut Dinge, die seltsam sind.
    Als er die Haustür von innen zugezogen hatte, blieb er eine Weile stehen und lauschte. Er hörte nichts außer einem Fernsehgerät, stark gedämpft. Er stieg einige Stufen hoch und blieb wieder stehen. Erst wollte er es nicht hören, dann konnte er sich nicht mehr dagegen wehren. Aus seiner Wohnung ertönte Musik. Er überlegte, was er tun sollte. Wieder die Polizei rufen? Die würden ihn auslachen, und wenn es die Mordkommission mitbekam, sah die sich bestätigt. Vielleicht dachten sie, er arbeite daran, sich mildernde Umstände zu beschaffen wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit. Er nahm zwei weitere Stufen, die Musik wurde lauter. Es waren harte Klavierläufe, sie grenzten an Disharmonie, um sich dann wieder zusammenzufügen. Er schloss die Tür auf, die Musik war laut, Hörner kamen hinzu, dann der Klangkörper eines Orchesters. Er kannte dieses Stück, aber er konnte es nicht benennen. Er ließ die Haustür offen stehen und näherte sich dem Wohnzimmer. An der Küchentür verharrte er. Wenn sich in der Küche jemand verbarg, konnte er Stachelmann den Fluchtweg verstellen. Stachelmann stieß die Küchentür auf. Er trat ein und schaute sich um. Im Spülbecken waren Geschirr und Besteck vom Frühstück, hinter der Tür stand niemand. Er atmete auf und ging wieder in den Flur. Die Tür zum Wohnzimmer war angelehnt. Er schob sie ein Stück weiter auf und schaute durch den Spalt. Das Klavier setzte wieder ein, unmelodiös, hart. Auf dem Wohnzimmertisch lag eine CD-Hülle, aufgeschlagen. Er ging hinein, schaute zuerst hinter die Tür. Dann betrachtete er den CD-Spieler, die Repeat-Taste leuchtete, die CD mochte schon stundenlang spielen. Er schaltete den CD-Spieler aus. Die Stille erschreckte ihn.
    Als er sich gefangen hatte, durchsuchte er die anderen Zimmer und schloss die Wohnungstür. Er setzte sich aufs Wohnzimmersofa. Die CD-Hülle lag vor ihm. Er nahm sie in die Hand und las. Brahms, Klavierkonzert Nr. 2, Wiener Philharmoniker, am Klavier Krystian Zimerman, Dirigent Leonard Bernstein. Es war der Digitalmitschnitt eines Konzerts von 1985. Deutsche Grammophon. Offensichtlich war es eine hochwertige CD, gewiss eine erstklassige Aufnahme nach allen Regeln der Kunst. Nur war sich Stachelmann sicher, er hatte diese CD nicht eingelegt. Er besaß sie nicht, Brahms war nicht sein Fall. Diese Musik war ihm zu schwer.
    Wer hatte die CD eingelegt?
    Derjenige hatte dafür gesorgt, dass Stachelmann sie hörte. Warum sollte er sie hören? Der Unbekannte hatte ihm die CD geschenkt. Dazu aber war er in die Wohnung eingedrungen. Stachelmann stand auf und ging durch alle Zimmer. Mit den Augen suchte er Boden, Wände, Tische, Stühle, Regale und Schränke ab. Er schaute sich das Wohnungstürschloss an. Nirgendwo entdeckte er eine Spur des Eindringlings. Das machte ihm umso mehr Angst.
    Wieder dachte er, ruf die Polizei an. Die halten dich ohnehin für verrückt, da kommt es nicht mehr drauf an. Aber was sollte die Polizei tun? Sie mussten annehmen, er habe in einem Augenblick der Umnachtung die CD eingelegt, versehentlich die Repeat-Taste erwischt und sei dann zur Uni gefahren. Was würde Stachelmann denken, wenn ihm jemand so eine Klamotte erzählen würde? Er würde sich innerlich an die Stirn tippen. Das wird seinen Grund haben, dass die CD spielt. Wenn man schon am Morgen die Flasche ansetzte oder zu viele Tabletten schluckte, dann konnte es auch zweimal geschehen oder öfter. Und wenn man Schnaps und Tabletten zusammen nahm, dann legte man vielleicht nicht nur CDs ein, ohne es zu wissen, sondern hielt sich auch für Admiral Hornblower oder Josef Stalin.
    Er schüttelte den Kopf, wie um den Wahn loszuwerden. Aber der blieb. Was soll ich tun? Denk systematisch. Er stand auf und ging im Kreis. Er schlug sich mit der Faust an die Stirn, immer wieder. Es war ein Fremder im Haus gewesen, seine Nachbarn brachen nicht in Wohnungen ein. Aber er konnte sie fragen, ob sie jemanden gesehen hatten.
    Schnell stieg er die Treppen hoch und klingelte. Er hörte ein Schlurfen, dann stand ein

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