Mit Blindheit Geschlagen
Schlüssel ansehen, ob er kopiert worden war.
Er überlegte, ob er ins Ali Baba gehen sollte, die Wohnung war ihm unheimlich. Da gab es einen, der ging hier ein und aus, wie er es wollte. Vielleicht wollte er Stachelmann hinaustreiben? Er entschied sich, zu Hause zu bleiben. Wo immer er wäre, er würde sich unsicher fühlen.
Denk nach, verdammt, denk nach! Wer Griesbach ermordet hat, ist dir auf den Fersen. Warum? Das steht in den Sternen. War es einer von den Flüchtlingen, die die Stasi geschnappt hatte? Dann war der Kreis der möglichen Täter klein, und Wittstock oder Pawelczyk kannten ihn.
Nicht so schnell. Immer wieder erwog er die Möglichkeiten. Wenn es doch mit der Holler-Sache zusammenhing? Er bedachte diese Variante mit geschlossenen Augen. Warum dann der Mord an Griesbach? Weil es egal war, welche Leiche Stachelmann zum Mörder machte. Das war eine plausible Erklärung. Und wenn das Opfer nichts zu tun hatte mit Holler, dann war es umso besser für den Täter, das lenkte ab. Allerdings glaubte Stachelmann nicht, dass Holler sich rächen würde. Es bedeutete ein Risiko für ihn, warum sollte er es eingehen? Vielleicht aus Verzweiflung? Stachelmann schob den Gedanken beiseite. Er musste mit einer nahe liegenden Spur anfangen. Wenn sie in die Irre führte, würde er sich um andere kümmern.
Er schaute auf die Uhr, fast Mitternacht. Die Zeit war gerast. Wittstock würde er erst morgen erreichen. Aber die Vorstellung, jetzt zu schlafen, war absurd. Da fiel ihm etwas ein, und er schlug sich an die Stirn. Warum bist du nicht früher darauf gekommen? Er nahm das Telefonbuch und blätterte. Es gab einige Schlüsselnotdienste in Lübeck. Er wählte den mit dem unauffälligsten Eintrag und rief an. Es dauerte, dann meldete sich eine schlaftrunkene Stimme. »Schlüsseldienst Walter.«
Stachelmann fragte, ob er gleich kommen könne, um das Wohnungstürschloss auszutauschen.
»Verarschen kann ich mich selbst«, sagte die Stimme. Es klickte.
Stachelmann wählte die nächste Nummer. Der Mann an der Leitung war so müde wie Herr Walter, aber anscheinend geschäftstüchtiger. »Es ist Ihr Geld«, sagte er.
»In einer halben Stunde bin ich da.« Er wollte Stachelmanns Telefonnummer wissen und rief zurück, um sicherzugehen.
Es dauerte fast eine Stunde, bis es klingelte. Der Mann trug einen verwaschenen Blaumann und war unrasiert. Er sagte kaum ein Wort, nur dass er hundert Euro als Vorauszahlung bekomme. Binnen einiger Minuten hatte er das Schloss gewechselt. Dann verlangte er weitere zweihundertfünfzig Euro und erhielt sie, obwohl Stachelmann ahnte, dass die Forderung unverschämt war.
Jetzt ließ die Anspannung nach. Er schimpfte leise vor sich hin, weil er das Schloss nicht früher hatte austauschen lassen. Dann legte er sich in seiner Kleidung aufs Bett und versuchte zu schlafen. Aber seine Ohren hörten jedes Geräusch. Er dachte an Wittstock und Pawelczyk, er musste etwas tun. Er fühlte sich in die Enge getrieben wie ein Hase bei der Treibjagd. Stachelmann döste, manchmal schreckte er hoch. Einige Zeit träumte er von einer Verfolgungsjagd. Er wachte auf, es war dunkel, er sehnte den Morgen herbei. Einmal riss ihn der Gedanke hoch, der Mann vom Schlüsseldienst könnte dem Eindringling einen Schlüssel für das neue Schloss geben, aber dann erklärte er sich für verrückt.
Der Schmerz kam, spät, aber mit Wucht. Da fiel Stachelmann ein, er hatte vergessen, seine Tabletten zu schlucken. Er stand auf und suchte sie, fand sie schließlich in der Küche. Er nahm die doppelte Ration, dann schloss er die Wohnungstür auf und stieg die Treppe hinunter. Im Briefkasten fand er die Lübecker Nachrichten.
Er eilte die Treppe hoch und verschloss seine Tür von innen. In der Küche blätterte er die Zeitung durch. Natürlich, auch sie berichtete von dem Lübecker Historiker unter Mordverdacht. Im Artikel stand das Gleiche wie im Hamburger Abendblatt. Wie viele Historiker unterrichteten an der Hamburger Uni und wohnten in Lübeck? Nur einer, und der hieß Josef Maria Stachelmann. Natürlich erhöhte die Berichterstattung über den Mordfall den Druck auf die Polizei, den Täter zu ermitteln. Stachelmann stellte sich vor, wie Wesendorn und Burg mit den anderen Beamten der Mordkommission und der Staatsanwaltschaft überlegten, ob sie Stachelmann nicht wieder einsperren sollten. Gewiss hatten in anderen Fällen weniger Indizien genügt, um Anklage zu erheben.
Mehr um sich abzulenken, kochte er einen Tee. Als er fertig
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