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Mit Blindheit Geschlagen

Mit Blindheit Geschlagen

Titel: Mit Blindheit Geschlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Flüchtlings, der erwischt worden war. Querelen unter den Fluchthelfern. Griesbach plant eine Aktion, die Grenztruppen oder die Stasi schlagen zu, ein Fluchthelfer wird verhaftet, kommt nach Jahren aus einem DDR-Knast und glaubt, Griesbach habe ihn ans Messer geliefert. Vielleicht war es auch ein verrückt gewordener Stasi, der dem DDR-Hasser Griesbach noch eine verpassen wollte. Es gibt ja Menschen, die nur noch für ein Ziel leben und es umso fanatischer verfolgen, wenn sie lange brauchen, um es zu erreichen. Stachelmann dachte an Leopold Kohn, den Juden, dessen Eltern beraubt und ermordet worden waren, während er in England lebte. Er kam zurück, um sich zu rächen. Er brauchte sechs Jahrzehnte. Wenn die Wurzeln eines Motivs so weit zurückliegen, wird es für Außenstehende unkenntlich. Vielleicht hatte Stachelmann noch nicht einmal eine Ahnung, warum Wolf Griesbach sterben musste. Aber es blieb ihm nichts übrig, als da anzupacken, wo er eine Chance witterte weiterzukommen. Frau Dr. Ortlep also, dachte er. Die kann ich besuchen, ohne dass die Polizei mir auf die Pelle rückt. Hoffentlich. Schönberg, das liegt so nah. Das ist ja fast noch Lübeck.
    Er stand auf und verließ die Wohnung. Er drehte den Schlüssel zweimal um. Draußen schien die Sonne, er hatte es nicht gemerkt in der Wohnung. Ihre Strahlen wärmten sogar ein wenig. Als er sein Auto von weitem sah, stutzte er. Es schien ihm niedriger zu sein als sonst. Aus der Nähe sah er, was geschehen war. Die Reifen waren platt.
    ***
    An diesen Tag würde er sich immer erinnern. Er betrat das Gebäude, in dem sich das Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität befand. Vor dem Eingang standen Flugblattverteiler, an den Wänden forderten Wandzeitungen aus Packpapier auf zum Kampf gegen den Imperialismus. Auf Büchertischen entdeckte er Broschüren und Bücher über den Kapitalismus und den Krieg, über ferne Länder, dazu Programme und Zeitungen mit Hammer und Sichel im Titel. Die Männer und wenigen Frauen hinter den Tischen trugen Lederjacken oder Pullis und Jeans. Als sich ihm eine Frau in den Weg stellte und fragte, ob er eine kommunistische Zeitung kaufen wolle, sagte er, er komme von dort, wo der Kommunismus versucht werde. Davon habe er die Nase voll.
    Die Frau begriff sofort. Nein, mit der DDR und den dort herrschenden Revisionisten und Sozialimperialisten hätten sie nichts zu tun. Er winkte ab und ging weiter. Er fand den Seminarraum. Dort saßen und standen Frauen und Männer, sie beachteten ihn nicht, lasen, redeten oder dösten. Es war ein Proseminar über den englischen Bauernkrieg. Er würde Schwierigkeiten kriegen, weil sein Latein miserabel war, an der Humboldt-Universität hatte man mehr Wert auf den Klassenkampf gelegt als auf die Entschlüsselung lateinischer Quellen.
    Der Seminarleiter trat ein, die Studenten störte es nicht. Wolf Griesbach fühlte sich fremd hier, so, wie er sich fast überall fremd fühlte in Westberlin. Nachdem sein Ausreiseantrag genehmigt worden war und er binnen eines Tages alle Formalitäten in Ostberlin abwickeln musste, hatten sie ihn im Westen mit bürokratischen Zumutungen geplagt, bis seine DDR-Zeugnisse anerkannt waren und er zugelassen wurde zum Studium. Der Seminarleiter war ein schmächtiger Mann, dem man ansah, wie verunsichert er war. Bevor er mit seinem Stoff beginnen konnte, erklärte ein Student, er habe eine Ansage zu machen. Dann verlas er eine Resolution, in der der Befreiungskampf in Eritrea unterstützt wurde gegen die Aggression der sowjetischen Sozialimperialisten. Als er fertig war, widersprach eine Studentin, die erklärte, die Sowjetunion und die DDR seien die natürlichen Verbündeten der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt. Der Student mit der Resolution schäumte, und die Frau schimpfte zurück. Der Seminarleiter saß an seinem Tisch und blätterte in Papieren. Griesbach schaute von einem zum anderen. Er stimmte gegen die Resolution, zusammen mit der Frau, die sich zu Wort gemeldet hatte. Das war Griesbach unangenehm.
    Am Ende des Seminars kam sie zu ihm. Sie hatte fanatische Augen. »Willst du nicht bei uns mitmachen?«, fragte sie. »Wenigstens mal reinschnuppern?« Sie sprach einen leichten Dialekt, den Griesbach nicht kannte, sie stammte nicht aus Berlin.
    »Bei wem reinschnuppern?«
    »Ach so, ich dachte, es wäre klar, bei der SEW.«
    Griesbach hatte in DDR-Zeitungen oft etwas gelesen über die SEW, das war die kommunistische Partei in Westberlin. »Ich habe in der DDR

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