Mit Blindheit Geschlagen
Wir sind Kundschafter, keine Krieger, wenn wir unter Beschuss geraten, gehen wir in Deckung.«
»Wann kann ich Helga sehen? Ihr habt es versprochen.«
»Geduld. Wir halten unsere Versprechen, du wirst es sehen. Lass uns jetzt mal über deine Lage reden.«
Griesbach hörte Motorgeräusche, dann quietschte eine Bremse. Eine Tür klappte, dann kam ein Mann herein, er warf Griesbach einen Blick zu und flüsterte Heinz etwas ins Ohr. Heinz nickte mehrfach. Der Mann verließ das Zimmer, und dann stand sie in der Tür. Sie sagte: »Guten Abend, Genossen.«
Griesbach wollte antworten, aber er schaute sie nur an. Er spürte einen Druck im Bauch. Ihre Augen lachten, und sie schien nicht zu merken, wie sie wirkte. Dann sagte er doch noch: »Guten Abend.« Seine Stimme war belegt. Er fühlte sich klein.
»Das ist die Genossin Margarete«, sagte Heinz. »Sie arbeitet auch in Westberlin.« Margarete umarmte Heinz.
»Westparfüm«, sagte Heinz. »Da wird meine Frau heute Abend wieder zicken.«
»Bring ihr was mit aus dem Intershop, brauchst du Westgeld?« Sie steckte ihre Hand in die Manteltasche.
Er wehrte ab. »In den Intershop darf ich nicht rein, das weißt du ganz genau. Finde ich sowieso zum Kotzen, dass es so was gibt. Wir haben nun Kinder mit Matchboxautos und Kinder ohne Matchboxautos.«
Griesbach stand auf und gab ihr die Hand. Sie lachte ihn an. »Du bist also der Neue, unser Nesthäkchen. Und ich bin deine Amme.« Sie hatte ein helles Lachen. Sie setzte sich Griesbach gegenüber. Heinz schenkte ihr das Schnapsglas randvoll. »Schon wieder dieser Fusel«, sagte sie.
»Heinz, du hast beim letzten Mal versprochen, was Vernünftiges aufzutischen, grusinischen Weinbrand oder russischen Wodka.« Es klang nicht böse, sie zog ihn auf.
»Ich bekenne meine Schuld«, sagte Heinz. »Beim nächsten Mal werde ich deine maßlosen Forderungen erfüllen, das ganze Ministerium wird sich mit nichts anderem beschäftigen.«
»So ist es recht. Entschuldigung angenommen«, sagte sie. Sie schaute Griesbach in die Augen. »Auf dich!« Als sie das Glas ausgetrunken hatte, sagte sie: »Wir müssen dich noch taufen.«
»Such dir einen Namen aus«, sagte Heinz. »Konspiration ist wichtig.«
»Willibald«, sagte Griesbach.
Margarete prustete los. »Das ist nun wirklich der bekloppteste Name, der mir je untergekommen ist. Willibald! Nee, den nehme ich nicht in den Mund.«
»So hieß unser Dackel, als ich in die Schule ging.«
Sie lachte lauter, Heinz lachte mit. »Also, ich finde Willibald schau.«
»Du findest auch Dackel schau, was?«
»Ich gebe es zu.«
Margarete traten Tränen in die Augen. »Der IM Willibald kämpft an der unsichtbaren Front. Das solltet ihr im Neuen Deutschland bringen, der Klassenfeind stirbt vor Lachen. So wurde eine neue Revolutionstheorie geboren.«
Griesbach musste sie immer anschauen, er wusste nicht, ob es ihr auffiel. Wenn sich ihre Blicke trafen, war ihrer warm oder spöttisch, je nachdem.
»Willibald, wenn mein Chef den Namen hört, erschlägt er mich«, sagte Heinz. »Aber gut, der Wunsch unserer Kundschafter ist uns heilig. Willibald!« Er prustete, Margarete prustete, diesmal lachte Griesbach mit.
Dann sagte Heinz: »Du musst Professor werden, das ist deine Hauptaufgabe. Natürlich interessieren wir uns für Namen und Pläne, natürlich sollst du herausbekommen, wer gegen uns ist und wen wir gewinnen könnten. Wer ist wer? Das ist die Frage. Wichtiger aber ist: Du wirst dich sozialliberal einsortieren, und du wirst alles bekämpfen, was links ist von dir. Das erhöht deine Glaubwürdigkeit. Als ideologisch unabhängiger Wissenschaftler wirst du ganz objektiv nachweisen, dass es ein Vorteil ist, mit der DDR zusammenzuarbeiten und die Hindernisse wegzuräumen. Stichworte: Schließung dieser Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter, die so genannte Straftaten in unserer Republik sammelt, Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft, du wirst die Aufrüstungspläne der Amerikaner kritisieren und auch ein paar nationale Töne pfeifen. Veröffentliche viel, lerne wichtige Leute kennen. Und vor allem, berichte Margarete regelmäßig. Sie wird sich bei dir melden. Nur im Notfall kommst du in die Hauptstadt und rufst die Nummer an, die ich dir gleich gebe. Lern sie auswendig, dann vernichten wir den Zettel.«
Margarete schaute Griesbach an, während Heinz ihn einwies. Da lag etwas in ihrem Blick, es machte ihn unruhig.
13
Dienstag.
Noch drei Wochen bis Weihnachten, dann hatte er ein paar Tage frei.
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